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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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»Ja, klar, Tante Ken«, erwiderte sie schließlich. »Als ob du's ihr erzählen würdes'.«
    Dies war eine Kampfansage. Und für Genera war die Zeit gekommen, den Handschuh aufzuheben.
    4
    Obwohl Genera sie mit dem Auto hätte fahren können, entschied sie sich für Bus und Bahn. Glory hatte die Campbell- Kinder in der Vergangenheit immer begleitet, wenn sie ihre Mutter besuchten, weil sie nichts anderes zu tun hatte. Genera hingegen hatte einen Job und wollte sich ein zweites Standbein schaffen, und darum würden die Kinder die Fahrt zu Carole Campbell in Zukunft allein meistern müssen. Das hieß, sie mussten lernen, wie man dorthin und wieder zurückkam.
    Entscheidend für Kendras Pläne an diesem Tag war, dass Ness anfangs nicht wissen durfte, wohin die Reise ging. Wenn sie es erfuhr, würde sie Reißaus nehmen, und Genera war auf ihre Kooperation angewiesen, selbst wenn ihre Nichte sich ihrer Beihilfe nicht bewusst war. Genera wollte, dass Ness ihre Mutter sah - und das aus Gründen, die sie selbst nicht richtig benennen konnte -, und ebenso wollte sie, dass Carole Campbell ihre Tochter sah. Es hatte schließlich einmal ein Band zwischen Mutter und Tochter bestanden, selbst während Caroles schlimmster Phasen.
    Ihre Fahrt begann in der Buslinie 23 in Richtung Paddington Station. Es war Samstag, und der Bus war hoffnungslos überfüllt; die Route führte am Queensway entlang, wo sich am Wochenende Scharen von Jugendlichen in den Läden, Cafés, Restaurants und Kinos herumtrieben. Tatsächlich glaubte Ness, genau das sei ihr Ziel. Als sie sich der Haltestelle Westbourne Grove näherten, stand das Mädchen wie selbstverständlich auf und ging über das Oberdeck des Busses zur Treppe - und Genera begann es zu dämmern, was ihre Nichte mit den Tagen angefangen hatte, die sie eigentlich in der Schule hätte verbringen sollen.
    Genera packte Ness am Kragen. »Hier noch nicht, Vanessa«, sagte sie und hielt sie weiter fest, bis der Bus wieder anrollte.
    Ness blickte von ihrer Tante zurück zum Queensway, den sie rasch hinter sich ließen, und wieder zu Genera. Ihr war klar, dass sie in irgendeiner Weise vorgeführt worden war, aber sie verstand noch nicht, wie. Mit Six und Natasha hatte sie den 23er Bus nie weiter als bis zum Queensway benutzt.
    »Was soll das?«, fragte sie.
    Genera antwortete nicht. Sie zupfte Tobys Jackenkragen zurecht und fragte Joel: »Alles in Ordnung, Schatz?«
    Joel nickte. Es war seine Aufgabe, auf Toby aufzupassen, und er machte es so gut, wie er konnte. Doch die Verantwortung lastete bleischwer auf ihm. Toby war an diesem Morgen schon in bedenklichem Zustand aufgewacht, so als habe er eine Vorahnung davon, wohin sie fuhren und was sie dort erwartete. Er hatte darauf bestanden, seinen Schwimmreifen vollständig aufgeblasen mitzunehmen, und er fiel auf wie ein bunter Hund, wie er da auf Zehenspitzen umhertrippelte, vor sich hin brabbelte und mit den Händen fuchtelte, als würde er von Stechfliegen angegriffen. Im Bus wurde es noch schlimmer. Er ließ sich partout nicht dazu überreden, den Schwimmreifen abzulegen oder auch nur ein wenig Luft abzulassen, um seiner Familie oder den anderen Fahrgästen ein bisschen mehr Platz zu gewähren. Als Genera dies anregte, hatte er »Nein!« gerufen und immer wieder »Nein!«, lauter und lauter, und er hatte zu schreien begonnen, dass er ihn anlassen müsse, weil Gran sie holen kommen würde, und außerdem habe ein gewisser unsichtbarer Maydarc ihm gesagt, er müsse ihn anlassen, und außerdem half er ihm beim Atmen und er würde ersticken, wenn ihm jemand den Schwimmreifen wegnahm. »Scheiße, gib ihn einfach her«, hatte Ness gesagt, was nur dazu führte, die ohnehin schwierige Situation zu verschlimmern, die bereits die Blicke sämtlicher Fahrgäste auf sich gezogen hatte. Toby kreischte, und Ness fauchte: »Ich werd langsam sauer, Mann. Kapiert, Toby?«
    Joel wand sich innerlich und wollte nur eines: sich in Luft auflösen.
    »Vanessa«, sagte Genera bestimmt, um die Situation zu entschärfen, aber auch, weil es Ness war, die sich die Strecke fürdie Zukunft einprägen sollte. »Dies ist der 23er Bus. Hast du dir das gemerkt?«
    »Du gehs' mir auch langsam auf 'n Sack, Tante Ken«, fuhr Ness sie an. »Was soll ich mir das merken?« Ein unausgesprochenes »blöde Kuh« schwang in ihrem Tonfall mit.
    »Weil ich es dir sage«, entgegnete Genera. »Der 23er Bus. Von Westbourne Park bis ... ah, da sind wir schon. Padding- ton Station.«
    Ness verengte die

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