Am Ende war die Tat
Gegner angetreten, die größer, härter und bedrohlicher wirkten als er selbst. Er war für sie ein Risiko eingegangen. Darum kam es ihr vor wie eine Liebkosung, als er sie mit ausgestreckter Hand zwischen den Schultern zur Tür bugsierte. Widerstandslos trat sie hinaus in die Nacht, wo Cal Hancock auf Anweisungen wartete.
»Melia hat alles im Griff. Weiter zur Lancefield, Mann.«
»Was 'n mit der da?«, fragte Cal und nickte in Ness' Richtung.
»Die kommt mit«, antwortete The Blade. »Hier kann ich sie nich' lassen.«
Dreißig Minuten später erreichten sie das Ziel - nicht die schicke Wohnung, die Ness sich vorgestellt hatte, sondern ein verkommenes Mehrfamilienhaus unweit der Kilburn Lane, das seinem Abriss entgegensah und in der Zwischenzeit von denjenigen obdachlosen Individuen bewohnt wurde, die die Nähe zu The Blade nervlich aushalten konnten. Auf einer kratzigen Decke, die auf einem Futon am Boden ausgebreitet lag, tat The Blade dort mit ihr, was die Männer im Crackhaus gern getan hätten. Dieses Mal zeigte Ness sich mehr als willig.
Sie verfolgte ganz eigene Ziele, und als sie die Beine für ihn spreizte, kam sie zu dem Schluss, dass The Blade der einzige Mann auf der Welt war, mit dem sie diese Ziele erreichen wollte.
Kendra hatte beschlossen, Dix zu glauben, dass er Ness im Falcon gefunden und nach Hause gefahren hatte. Er kam ihr aufrichtig vor, mit seiner sanften Stimme und seinem anscheinend gutherzigen Wesen. Und obwohl sie sich genau an jenem Abend von Ness losgesagt hatte, da ihre Nichte The Blade begegnet war, kam sie zu der Erkenntnis, dass sie ihre Beziehung zueinander in Ordnung bringen musste. Es war ihr allerdings nicht klar, wie sie das bewerkstelligen sollte, denn Ness war so gut wie nie zu Hause.
Das einzig Gute daran war, dass Kendra so ihre Karrierepläne ohne Zwischenfälle verfolgen konnte, und das half, sie von dem abzulenken, was nach der Massage in dem Apartment über dem Falcon um ein Haar zwischen ihr und Dix D'Court vorgefallen wäre; und es war ihr wichtig, sich davon abzulenken. Kendra wollte sich als Profi betrachten.
Allerdings verlangte dieselbe Gewissenhaftigkeit, die sie be- wog, in beruflicher Hinsicht professionell zu sein, dem Mädchen die Hand zu reichen. Nicht so sehr, weil Kendra hoffte, dass sich eine vernünftige Tante-Nichte-Beziehung zwischen ihnen entwickeln könnte, sondern weil sie sich in Bezug auf das, was zwischen Dix und Ness vorgefallen war, geirrt hatte, und dafür musste sie Abbitte leisten. Das war Kendra ihrem Bruder schuldig, der sein ganzes Leben umgekrempelt hatte: Gavin Campbell war drogenabhängig gewesen bis zu Tobys Geburt und den Ereignissen, die kurz darauf beinahe zum Tod des Kindes geführt hatten.
»Das hat mich wachgerüttelt«, hatte Gavin ihr erklärt. »Es hat mir gezeigt, dass ich die Kinder nicht Caroles Sorge überlassen kann, um die Wahrheit zu sagen ...«
Die Wahrheit war auch, dass keines der Campbell-Kinder je von einem Erwachsenen geschlagen worden war. Kendras Zusammenstoß mit Ness, der an jenem Abend vor dem Haus in einer Ohrfeige gegipfelt hatte, musste geklärt und bereinigt werden. Sie musste sich dafür entschuldigen. Sie musste tun, was immer nötig war, um Ness nach Hause zurückzuholen, wie ihr Vater es gewollt hätte.
Dies zu tun, wurde umso dringlicher, als Kendra wenige Tage später einen Anruf vom Jugendamt erhielt. Eine Frau namens Fabia Bender aus der Abteilung für auffällige Jugendliche wollte einen Termin mit Vanessa Campbell und den erziehungs- berechtigten Erwachsenen vereinbaren. Die Tatsache, dass das Jugendamt aktiv geworden war, spielte Kendra für ihre Auseinandersetzungen mit Ness eine Trumpfkarte in die Hand. Falls sie ihre Nichte finden konnte.
Joel zu befragen, führte zu keinem befriedigenden Ergebnis. Er erklärte Kendra, er sehe seine Schwester gelegentlich, aber ihr Kommen und Gehen sei unregelmäßig. Er ließ unerwähnt, dass Ness eine Fremde für ihn geworden war. Er sagte lediglich, dass sie gelegentlich daheim war, wenn er und Toby vom Lernzentrum zurückkamen. Manchmal nahm sie ein Bad oder durchwühlte ihre Kleidung, stibitzte eine Schachtel aus Kendras Benson-&-Hedges-Stange, aß Curryreste vom Vortag oder Chips mit mexikanischem Salsa-Dip, während sie vor dem Fernseher saß und sich eine Talkshow ansah. Wenn er sie ansprach, ignorierte sie ihn meistens. Es mache stets den Eindruck, dass sie auf dem Sprung sei. Mehr könne er nicht sagen.
Kendra wusste, dass Ness unter
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