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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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draußen.
    Es gab keine Möbel im eigentlichen Sinne. Stattdessen lagen hier und da alte Matratzen in Dreierlagen übereinander, und große, umgedrehte Pappkartons dienten als Tische. Das schummrige Licht kam von zwei verbogenen Bodenlampen, die ihren matten Schimmer aufwände und Decken warfen, sodass der Fußboden mit seinen ausgefransten braunen Teppichfliesen großteils im Dunkeln blieb. Bis auf ein Graffiti von einem langhaarigen Mann und einer nackten Frau, die auf einer Spritze in die Stratosphäre ritten, waren die Wände kahl, und insgesamt machte das Haus nicht den Eindruck, als wohne hier jemand.
    Leer war es jedoch keineswegs. Man hätte sogar meinen können, eine Party sei im Gange, denn leise, blecherne Musik wimmerte aus einem Radio, dessen Sender dringend nachjustiert werden musste. Doch das, was man normalerweise bei einer Party zu sehen erwartete - Menschen, die sich unterhielten oder anderweitig interagierten -, fand hier nicht statt. Die Aktivität beschränkte sich vielmehr auf Rauchen, und die Unterhaltungen, soweit überhaupt welche stattfanden, drehten sich um Crackqualität und die geistigen und körperlichen Lustbarkeiten, die der Stoff verursachte.
    Auch Cannabis und schlichter Tabak wurden geraucht, diverse Substanzen gehandelt: alles unter der Regie einer vielleicht vierzigjährigen schwarzen Frau in einem roten Negligé, das den beklagenswerten Zustand ihrer großen, hängenden Brüste freizügig enthüllte. Sie schien hier das Sagen zu haben und wurde von dem Türsteher unterstützt, der durch den Türspion die Individuen inspizierte, die Einlass begehrten.
    Niemand der Anwesenden bezweifelte, dass dies ein sicherer Ort war, um ihrem bevorzugten Zeitvertreib nachzugehen. In dieser Siedlung und der gesamten Umgebung schössen derartige Drogennester aus dem Boden wie Pilze. Die Polizei war unfähig, Schritt zu halten, und in dem unwahrscheinlichen Fall, dass ein Nachbar den Mut aufbrachte, Anzeige zu erstatten und die Verhaftung der Betreiber jener Etablissements zu verlangen, hatten die Ordnungshüter immer zu viel anderes um die Ohren, als dieser Sache nachzugehen.
    Die Frau im Negligé brachte The Blade unaufgefordert das, wofür er gekommen war. Sie wollte, dass er sich willkommen fühlte. Dieses Haus war seine erste Bastion in einem Territorium, das von einem albanischen Drogenring kontrolliert wurde, und die Frau verdankte The Blade nicht nur das Dach über dem Kopf, sondern auch das entsprechende Einkommen, das ihre Dienstfertigkeit rechtfertigte.
    »Was macht deine Gran, Darling?«, fragte sie ihn, während er die Pfeife anzündete, die sie ihm gegeben hatte. Die Pfeife - ein Pfeifchen vielmehr - war so klein, dass sie gänzlich in seiner Hand verschwand. Ein Rauchkringel stieg von ihr auf. »Is' sie immer noch im Krankenhaus? Is' ja furchtbar. Hält deine Mum dich immer noch von deinen Geschwistern fern? Was für 'ne blöde Kuh. Was kann ich dir sons' noch bring', Darling? Wen ha'm wir denn hier? Gehört die zu dir?«
    »Die« war Ness, The Blades Schatten. Sie stand einen Schritt hinter ihm und wartete auf irgendeinen Hinweis darauf, was von ihr erwartet wurde, und versteckte ihre Unsicherheit hinter einer Maske der Gleichgültigkeit. The Blade legte eine Hand in ihren Nacken. Mit Daumen und Zeigefinger kniff er ihr in das weiche Fleisch unter dem Ohr, womit er ihr bedeutete vorzutreten. Dann steckte er ihr die Pfeife zwischen die Lippen und sah zu, wie sie einen tiefen Zug nahm. Er lächelte und antwortete der Frau im roten Neglige: »Zu wem soll sie sons' gehör'n, Schlampe, wenn nich' zu mir?«
    »Sieht jung aus, Mann. Is' man von dir nich' gewöhnt.«
    »Das glaubs' du nur, weil du mich selbs' haben wills'.«
    Sie lachte. »Ooh, so viel Männlichkeit ertrag ich nich', Baby.« Sie tätschelte ihm die Wange. »Sag Bescheid, wenn Melia dir noch was bring' soll.« Damit wandte sie sich ab und ging den dämmrigen Korridor hinab zu einem Paar, das im Gegensatz zu allen anderen im Haus, die nur mit sich selbst beschäftigt waren, miteinander zugange war. Die Frau lehnte an der Wand, und sie schoben eine ungelenke Nummer im Stehen.
    Ness spürte die Wirkung der Droge schnell. Alles, was ihr Leben ausmachte, trat in den Hintergrund. Dass ihr im Hier und Jetzt aus unterschiedlichsten Richtungen Gefahr drohen könnte, kam ihr nicht in den Sinn - wie auch, da ihr Urteilsvermögen sich verabschiedet und Platz gemacht hatte für etwas, das ihr über Sinn und Verstand weit hinauszugehen

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