Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
Vom Netzwerk:
dass mein Französisch nicht besonders gut ist, aber gehört das Wort ›Präludium‹ zum üblichen Sprachgebrauch?«
    »Nein, warum?«
    »Wenn man so komplizierte Formulierungen verwendet, um einfache Sachverhalte auszudrücken, dann meistens, weil man
sich wichtig machen möchte. Die meisten Menschen besitzen die Schwäche, das zu tun, wenn sie gefallen wollen. Dein Drucker-Archäologe hat eine sehr hohe Meinung von sich selbst, oder aber er versucht noch immer, dich zu beeindrucken. Jetzt sag bitte nicht, das würde nicht stimmen!«
    »Und du sag bitte nicht, dass du eifersüchtig auf Max bist, das wäre lächerlich.«
    »Ich habe keinen Grund, eifersüchtig auf irgendjemanden zu sein, denn mal bin ich einer deiner besten Freunde und mal dein bester Mitarbeiter, nicht wahr?«
    Ich fragte Keira, warum sie Max gegenüber gelogen hatte.
    »Ich weiß nicht, das kam ganz automatisch.«
    Ich zog es vor, über etwas anderes als über Max zu reden. Ich hatte vor allem den Wunsch, mich so schnell wie möglich von seiner Druckerei und seinem Viertel zu entfernen. So schlug ich Keira vor, einen meiner Londoner Bekannten aufzusuchen, der uns vielleicht bei der Entzifferung des Textes behilflich sein könnte, jemanden, der wesentlich gelehrter wäre als ihr Drucker.
    »Warum hast du nicht früher von ihm erzählt?«
    »Weil ich nicht daran gedacht habe.«
    Schließlich hatte Keira nicht das Monopol auf Lügen!
     
    Während Keira sich von Jeanne verabschiedete und ihre Sachen holte, rief ich Walter an. Nachdem ich mich nach seinem Befinden erkundigt hatte, bat ich ihn um einen seltsamen Gefallen.
    »Ich soll an der Akademie jemanden finden, der afrikanische Dialekte beherrscht? Haben Sie irgendetwas Illegales geraucht, Adrian?«
    »Die Angelegenheit ist heikel, mein lieber Walter. Ich habe mich etwas weit vorgewagt, in zwei Stunden nehmen wir den Zug, und heute Abend sind wir in London.«

    »Welch gute Nachricht! Zumindest, was den zweiten Teil Ihres Satzes betrifft. Was den Marabut angeht, den ich suchen soll, ist das schon schwieriger. Habe ich wir gehört?«
    »Ja, das haben Sie gehört.«
    »Habe ich Ihnen nicht gesagt, es wäre sinnvoll, allein nach Äthiopien zu reisen? Sie haben in mir einen wahren Freund, Adrian, ich bemühe mich, Ihren Hexer aufzutreiben.«
    »Walter, was ich brauche, ist ein Ge’ez-Übersetzer.«
    »Sage ich ja, und ich brauche einen Zauberer, um einen solchen ausfindig zu machen! Rufen Sie mich an, wenn Sie da sind, und lassen Sie uns heute Abend zusammen essen. Ich werde sehen, was ich bis dahin ausrichten kann«, sagte Walter spöttisch und legte auf.

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals
    Wir hatten den Tunnel seit einer Weile verlassen, und der Eurostar fuhr durch die englische Landschaft. Keira war an meiner Schulter eingenickt. Sie hatte einen guten Teil der Reise verschlafen. Mein Arm war ganz taub, doch aus Angst, sie zu wecken, hätte ich mich um nichts auf der Welt gerührt. Als der Zug kurz vor dem Bahnhof von Ashford das Tempo drosselte, streckte sich Keira mit einer gewissen Anmut, das heißt, bis sie dreimal derart laut niesen musste, dass sich der ganze Wagen nach uns umdrehte.
    »Das habe ich von meinem Vater geerbt«, entschuldigte sie sich, »dagegen kann ich nichts machen. Ist es noch weit?«
    »Eine knappe halbe Stunde.«
    »Wir haben keine Gewissheit, dass dieses Dokument wirklich etwas mit meinem Anhänger zu tun hat, oder?«
    »Nein, in der Tat, doch ich bin Gewissheiten gegenüber im Allgemeinen skeptisch.«
    »Aber du willst glauben, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden gibt.«
    »Keira, wenn wir im unendlich Großen einen unendlich kleinen Punkt suchen, eine Lichtquelle, so weit sie auch entfernt sein mag, wenn wir auf ein Geräusch aus der Weite des Universums lauschen, dann gibt es nur eine Gewissheit: unseren Willen zu entdecken. Und ich weiß, dass es dir bei deinen Ausgrabungen nicht anders geht. Also gut, es stimmt, noch beweist nichts, dass wir die richtige Spur verfolgen, ausgenommen
jener Instinkt, der uns dazu treibt, daran zu glauben, und das ist doch auch schon mal nicht schlecht, oder?«
    Ich hatte nicht den Eindruck, etwas sehr Wichtiges gesagt zu haben, die Landschaft um den Bahnhof von Ashford hatte auch nichts sonderlich Romantisches, und ich frage mich noch heute, warum sich Keira ausgerechnet in diesem Moment zu mir drehte, mein Gesicht in beide Hände nahm und mich küsste wie nie zuvor.
    Ich habe monatelang an diesen Augenblick gedacht, nicht

Weitere Kostenlose Bücher