Am ersten Tag - Roman
Glas erneut zu füllen, »so brauchen Sie nur die
Zweizimmerwohnung aufzusuchen, in der ich lebe, um jeden Zweifel zu diesem Thema auszumerzen. Wenn Sie aber sagen ›dankbar gegenüber der Institution, die seine Forschungstätigkeit unterstützt‹, würde ich gerne wissen, worauf Sie anspielen. Auf das schäbige Büro, in dem ich arbeite? Auf das Material und die Bücher, die ich aus eigener Tasche bezahle, weil ich es leid bin, dass meine Anträge zu nichts führen?«
»Denken Sie an Ihre Expedition in Chile. Wir haben Sie da unterstützt, wenn ich mich nicht irre!«
»Unterstützt? Sie sprechen von dem Auftrag, den ich im Rahmen eines unbezahlten Urlaubs ausgeführt habe?«
»Wir haben Ihre Kandidatur unterstützt.«
»Walter, seien Sie bitte nicht so britisch! Sie haben nie an meine Forschung geglaubt!«
»Das Urgestirn, Wiege aller Konstellationen, entdecken - ein etwas ehrgeiziges und gewagtes Projekt, wie Sie zugeben müssen.«
»Ebenso gewagt, wie dieses Projekt der Walsh-Foundation zu präsentieren, nicht wahr?«
»Not kennt kein Gebot, sagte der heilige Bernard.«
»Und es käme Ihnen wohl zupass, wenn ich mir ein Fässchen um meinen Bernhardinerhals binden würde, oder?«
»Gut, vergessen Sie’s, Adrian. Ich habe den Herrschaften schon gesagt, dass Sie nicht einverstanden sein würden. Sie haben sich immer jeder Autorität verweigert, und diese kurze Phase des Sauerstoffmangels dürfte Sie nicht derart verändert haben.«
»Ach, Sie waren nicht der Einzige, der diese verrückte Idee hatte?«
»Nein, der Verwaltungsrat ist zusammengekommen, und ich habe mich damit begnügt, die Namen der Wissenschaftler vorzuschlagen, die eine Chance hätten, zwei Millionen Pfund Sterling zu gewinnen.«
»Wer sind die anderen Kandidaten?«
»Ich habe keine weiteren gefunden …«
Walter bat um die Rechnung.
»Nein, ich lade Sie ein, Walter. Damit wird das Dach der Akademie nicht ausgebessert, aber Sie können sich immer noch die Stiefel kaufen.«
Ich zahlte die Rechnung, und wir verließen den Pub. Es hatte aufgehört zu regnen.
»Ich hege nicht den geringsten Groll gegen Sie, müssen Sie wissen, Adrian.«
»Aber ich auch nicht, Walter.«
»Ich bin sicher, wenn wir uns etwas Mühe geben, können wir uns sehr gut verstehen.«
»Wenn Sie das sagen.«
Der Rest unseres kurzen Spaziergangs verlief schweigend. Fast im Gleichschritt liefen wir den Gower Court hinauf. Als wir die Halle des Hauptgebäudes betraten, verabschiedete ich mich von Walter und steuerte auf den Flügel zu, in dem sich mein Büro befand. Auf der ersten Stufe der großen Treppe drehte sich Walter um und bedankte sich für das Mittagessen. Eine Stunde später mühte ich mich immer noch vergebens ab, den schäbigen Raum zu betreten, in dem ich arbeitete. Der Türstock musste sich durch die Feuchtigkeit verzogen haben, und ich konnte ziehen und drücken, so viel ich wollte, es tat sich nichts. Erschöpft gab ich schließlich auf und trat den Heimweg an. Denn in meiner Wohnung würde es mehr zu räumen und zu putzen geben, als ich bis zum frühen Abend würde bewältigen können.
Paris
Keira öffnete die Augen und sah zum Fenster. Die regennassen Dächer glänzten im Sonnenlicht. Die Archäologin streckte sich, schlug die Decke zurück und verließ ihr Bett. Die Hängeschränke ihrer Kochnische waren leer bis auf einen Teebeutel, den sie in einer zerbeulten Blechdose fand. Die Uhr an ihrem Backofen zeigte 17:00, die an der Wand 11:45, der alte Wecker auf dem Nachtkästchen 14:20. Sie griff zum Telefon und rief ihre Schwester an.
»Wie spät ist es?«
»Guten Tag, Keira.«
»Guten Tag, Jeanne, wie spät ist es?«
»Gleich vierzehn Uhr.«
»So spät schon?«
»Ich habe dich vorgestern Abend vom Flughafen abgeholt, Keira!«
»Habe ich etwa sechsunddreißig Stunden durchgeschlafen?«
»Das hängt davon ab, wann du ins Bett gegangen bist.«
»Bist du beschäftigt?«
»Ich bin in meinem Büro im Museum und arbeite. Komm zum Quai Branly, und wir gehen zusammen eine Kleinigkeit essen.«
»Jeanne?«
Ihre Schwester hatte bereits aufgelegt.
Nachdem sie geduscht hatte, wühlte Keira im Schlafzimmerschrank nach etwas Sauberem zum Anziehen. Von dem, was
sie mit auf die Reise genommen hatte, war ihr nichts geblieben, der Shamal hatte alles weggefegt. Sie entdeckte eine verschlissene Jeans, die aber »noch ganz gut« war, ein blaues Polohemd, das »eigentlich gar nicht so übel aussah«, und eine alte Lederjacke, die dem Ganzen einen
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