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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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großen Bildschirmen sah, begnügen. Die Aufregung war fast greifbar. Alle Wissenschaftler waren anwesend und hatten den Blick auf ihren Arbeitstisch gesenkt. Bisweilen konnte man in der Ferne das Quietschen der Antenne hören, die sich einige Millimeter auf ihren riesigen Metallachsen drehte. Dann wurde es wieder still, und jeder konzentrierte sich auf die Signale, die seit Anbeginn der Zeit zu uns drangen. Damit Martyn und seine Kollegen ihre Ruhe hatten, zog ich Walter, der sie mit Fragen bombardierte, nach draußen.
    »Warum sind sie so aufgeregt?«, flüsterte er.

    »Hier können Sie normal reden, ohne sie zu stören. Sie alle hoffen, heute Abend die Entstehung eines Schwarzen Lochs beobachten zu können. Das ist ein seltenes Ereignis im Leben eines Radioastronomen.«
    »Werden Sie vor der Kommission auch über Schwarze Löcher sprechen?«
    »Natürlich.«
    »Dann nur zu, ich höre.«
    »Das Schwarze Loch ist die große Unbekannte für einen Astronomen, da nicht einmal das Licht aus ihm entkommen kann.«
    »Woher weiß man dann, dass es überhaupt existiert?«
    »Schwarze Löcher bilden sich bei der letzten Implosion massereichen Sterns, der viel größer ist als unsere Sonne. Seine Überreste sind so schwer, dass keine natürliche Form sie daran hindern kann, unter ihrem eigenen Gewicht zusammenzubrechen. Nähert sich irgendwelche Materie einem Schwarzen Loch, beginnt sie zu schwingen und läutet wie eine Glocke. Dieser Ton, der zu uns dringt, ist ein B. Er liegt etwa siebenundfünfzig Oktaven unter dem mittleren C. Stellen Sie sich vor, man könnte diese Musik aus dem fernsten Universum hören.«
    »Nicht zu fassen«, flüsterte Walter.
    »Es gibt noch weit Unglaublicheres. Um das Schwarze Loch herum verwandeln sich Zeit und Raum, die Zeit vergeht langsamer. Das heißt, ein Mensch, der an den Rand eines Schwarzen Lochs reisen und nicht von diesem verschlungen würde, wäre bei seiner Rückkehr auf die Erde wesentlich weniger gealtert als die, die er dort zurückgelassen hätte.«
    Als wir in den Saal zurückkehrten, in dem die Wissenschaftler auf die Erscheinung des lang ersehnten Phänomens gespannt warteten, war Walter nicht mehr derselbe. Er starrte gebannt auf die Bildschirme, die winzige Punkte anzeigten,
Zeugen einer längst vergangenen Zeit, zu der es noch keine Menschen gab. Um 03:07 Uhr morgens erbebte der Raum von einem gigantischen Hurra-Schrei. Martyn, der sonst so zurückhaltend war, machte einen solchen Satz, dass er fast hintenübergefallen wäre. Auf den Bildschirmen war ein unwiderlegbarer Beweis zu sehen - am nächsten Tag würden sich alle Astronomen der Welt über die Entdeckung ihrer englischen Kollegen freuen, und ich hoffte, dass meine Atacama-Freunde an mich denken würden.
     
    Walter war fasziniert von dem, was ich ihm über die Verwandlung der Zeit erzählt hatte. Als Martyn uns am Morgen nach einer sehr kurzen Nacht zu dem kleinen Bahnhof von Holmes Chapel fuhr, erklärte er Walter, es sei sein absoluter Traum, ein Wurmloch zu finden. Walter, der sich noch nicht von der Entdeckung des Schwarzen Lochs erholt hatte, hielt das zunächst für einen Scherz. Doch dann drängte er Martyn, ihm mehr darüber zu erzählen. Da dieser größte Mühe hatte, seinen alten Kombi geradeaus zu lenken, übernahm ich seinen Part und legte Walter dar, dass es sich bei Wurmlöchern um theoretische Öffnungen in der Raumzeit handele, eine Art Tunnel zwischen zwei Punkten des Universums. Sollte es uns eines Tages gelingen, ihre Existenz nachzuweisen, dann wäre das vielleicht ein erster Schritt zu der Möglichkeit, im All schneller als das Licht zu reisen.
     
    Am Bahnsteig schloss Walter Martyn in die Arme und versicherte ihm nicht ohne Rührung, dass er einem genialen Beruf nachgehe. Dann zog er die Halteschlaufe aus seiner Tasche und überreichte sie feierlich ihrem Besitzer. Als der Zug Manchester hinter sich ließ, vertraute mir Walter an, dass es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit wäre, wenn die Walsh-Foundation unser Projekt nicht auszeichnen würde.

Paris
    Wie sie Max erklärt hatte, verbrachte Keira alle Abende der Woche in trauter Zweisamkeit mit ihrer Schwester.
    »Denkst du noch oft an Papa?«
    Keira steckte den Kopf durch die Küchentür und sah Jeanne, die eine Porzellantasse betrachtete.
    »Aus der hat er jeden Morgen seinen Kaffee getrunken«, gab diese zurück, schenkte Kräutertee ein und reichte sie Keira. »Es ist albern, aber jedes Mal, wenn ich sie im Schrank sehe, werde ich

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