Am ersten Tag - Roman
sehr ungewöhnlich aus. Ich habe einen Freund, der Gemmologe ist, soll ich ihn bitten, ihn sich anzusehen?«
»Es ist kein Stein und auch kein versteinertes Holz.«
»Was ist es dann?«
»Das wissen wir nicht.«
»Darf ich ihn mir näher anschauen?«, fragte Jeanne, die plötzlich ganz aufgeregt war.
Keira nahm die Kette ab und reichte sie ihrer Schwester.
»Und wenn es ein Meteoritenfragment wäre?«
»Hast du schon mal von einem Meteoriten gehört, der so glatt wie die Haut eines Babypopos ist?«
»Ich behaupte ja nicht, ich würde mich auf diesem Gebiet auskennen, aber ich denke, wir sind weit davon entfernt, alles entdeckt zu haben, was aus dem All kommt.«
»Das ist eine Hypothese«, antwortete Keira, jetzt wieder ganz Archäologin. »Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, dass mehr als fünftausend pro Jahr auf die Erde fallen.«
»Erkundige dich bei einem Spezialisten!«
»Bei welchem Spezialisten?«
»Beim Metzger an der Ecke! Natürlich bei jemandem, der mit so was zu tun hat, bei einem Astronomen oder Astrophysiker, was weiß ich!«
»Klar, Jeanne, ich werde mal mein Adressbuch durchblättern und auf der Seite ›befreundete Astronomen‹ nachsehen. Fragt sich nur, wen von ihnen ich als ersten anrufen sollte.«
Da sich Jeanne nicht streiten wollte, griff sie die Spitze nicht auf. Sie ging zu dem kleinen Schreibtisch, der in der Diele stand, und setzte sich an ihren Computer.
»Was machst du da?«, fragte Keira.
»Ich arbeite für dich! Ich fange heute Abend an, und du rührst dich morgen nicht vom Fleck. Du bleibst vor diesem Bildschirm sitzen, und wenn ich nach Hause komme, will ich eine Liste aller Organisationen sehen, die archäologische, paläontologische und geologische Forschungen unterstützen - jene eingeschlossen, die in Afrika nachhaltige Entwicklung fördern. Und dies ist ein Befehl!«
Zürich
Nur in einem einzigen Büro im letzten Stock des Gebäudes der Schweizer Nationalbank brannte noch Licht. Ein elegant gekleideter Herr beendete die Lektüre der E-Mails, die in seiner Abwesenheit eingegangen waren. Er war erst am Morgen aus Mailand zurückgekehrt und hatte den Tag über kaum Zeit gehabt. Sitzungen und Aktenprüfungen hatten ihn voll und ganz in Anspruch genommen. Er sah auf seine Uhr. Wenn er sich beeilte, könnte er noch den Abend zu Hause genießen. Er drückte eine Taste der Telefonanlage und wartete, bis sein Fahrer sich meldete.
»Sie können den Wagen vorbereiten, ich bin in fünf Minuten unten.«
Er rückte seinen Krawattenknoten zurecht, räumte seinen Schreibtisch auf und stellte bei einem letzten Blick auf den Bildschirm seines Computers fest, dass eine Mail seiner Aufmerksamkeit entgangen war. Er las sie und löschte sie dann sofort. Aus der Innentasche seines Jacketts zog er ein kleines schwarzes Notizbuch, setzte seine Brille auf und blätterte es auf der Suche nach einer Nummer durch. Dann hob er den Telefonhörer ab.
»Ich habe gerade Ihre Nachricht gelesen. Wer ist sonst noch informiert?«
»PARIS, NEW YORK und Sie.«
»Wann hat dieses Treffen stattgefunden?«
»Vorgestern.«
»Wir sehen uns in einer halben Stunde auf der Terrasse des Polytechnikums.«
»Das ist schwierig, ich betrete gerade die Oper.«
»Was wird heute Abend gespielt?«
»Puccini, Madame Butterfly .«
»Die muss dann eben warten. Bis gleich.«
Dann rief der Mann seinen Fahrer an, um seine vorherige Anweisung rückgängig zu machen und ihm für den Rest des Abends freizugeben. Letztlich hätte er mehr Arbeit als angenommen, er würde lange im Büro bleiben. Morgen brauchte er ihn auch nicht von zu Hause abzuholen, vermutlich würde er in der Stadt übernachten. Sobald er aufgelegt hatte, trat der Mann ans Fenster, zog die Lamellen der Jalousie auseinander und sah hinab auf die Straße. Als er seinen Wagen aus der Parkgarage und dann über den Paradeplatz fahren sah, gab er seinen Beobachtungsposten auf, griff nach seinem Mantel, verließ sein Büro und schloss die Tür hinter sich ab.
Zu dieser späten Stunde funktionierte nur noch ein Aufzug. In der Eingangshalle begrüßte ihn der Nachtportier und betätigte den Mechanismus, der die Drehtür aktivierte. Als er draußen war, bahnte sich der Mann einen Weg durch die Menschenmenge auf dem Hauptplatz von Zürich. Er lief Richtung Bahnhofstraße und stieg in die erste Trambahn, die hielt. Er saß im hinteren Teil des Wagens und an der nächsten Haltestelle bot er seinen Platz einer alten Dame an. Die Stromabnehmer
Weitere Kostenlose Bücher