Am Fluss des Schicksals Roman
Auftrag finden.«
Ned stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich bezweifle, dass das jetzt noch etwas ausmacht. Ich kann den Gedanken, nicht mehr auf diesem Schiff zu leben, zwar kaum ertragen, muss mich aber wohl damit abfinden. Wir werden die Marylou verlieren.« Ihm brach die Stimme, und er drehte sich zum Fluss, damit Francesca nicht sah, dass seine Augen feucht waren.
Doch Francesca erkannte, wie verzweifelt er war, und es brach ihr fast das Herz. Der Gedanke, die Marylou nicht halten zu können, war für Ned genauso schlimm wie für ihren Vater – und das war nicht verwunderlich. Schließlich hatteauch Ned sein Herz, seine Seele und jahrelange harte Arbeit in das Schiff gesteckt.
Es lag in ihrer Macht, die beiden davor zu bewahren, das Schiff zu verlieren. Sie musste lediglich Silas Hepburn ihr Jawort geben ...
»Ned, ich muss etwas erledigen. Könntest du darauf achten, dass Lizzie sich Ruhe gönnt, solange ich weg bin?«
»Sicher, Frannie. Aber wo willst du zu so früher Stunde hin?«
»Ich muss jemandem einen Besuch abstatten. Es wird nicht lange dauern.« Francesca wandte sich zum Gehen, hielt dann aber zögernd inne. Sie hatte Angst vor dem Gespräch mit Regina Radcliffe und beschloss, einige ihrer Fragen zuerst an Ned zu erproben.
»Darf ich dich etwas fragen, Ned?«
»Na klar«, entgegnete er geistesabwesend.
»Erinnerst du dich noch an die Nacht, in der ich zur Welt kam?«
Ned wurde plötzlich blass. »Ja, mein Mädchen.« Er würde diese Nacht nie vergessen. »Warum fragst du?«
»Du hast mir erzählt, dass du in dieser Nacht an Bord der Marylou warst.«
»Ja. Es war mein erster Arbeitstag an Bord.« Es kostete Ned alle Mühe, Gelassenheit vorzutäuschen.
»War meine Mutter zu der Zeit mit Regina Radcliffe befreundet?«
»Nein. So welche wie die Radcliffes sind nicht mit den einfachen Leuten befreundet, die auf dem Fluss leben und arbeiten.«
Francesca runzelte die Stirn. Sie konnte keinen Zusammenhang zwischen ihrer Mutter und Regina finden. »Danke, Ned. Bis bald.«
»Warum hast du gefragt ...?« Doch Ned kam nicht dazu, den Satz zu beenden, weil Francesca bereits davongeeilt war.»Wir werden ein Stück weiter oben am Ufer ankern«, rief er ihr hinterher. Francesca winkte ihm zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.
Stirnrunzelnd sah Ned ihr nach.
Als Francesca den Mietstall der Radcliffes erreichte, traf sie einen Mann mittleren Alters an, der gerade einen Burschen anschnauzte, weil dieser offenbar einen der Ställe nicht richtig sauber gemacht hatte. Francesca vermutete, dass es sich um Henry Talbot und einen seiner Stallburschen handelte.
Sie räusperte sich, um auf sich aufmerksam zu machen, und stellte sich dann vor. Erleichtert stellte sie fest, dass Henry Talbot über sie im Bilde war.
»Monty Radcliffe hat mir gesagt, ich könne jederzeit ein Pferd und einen Einspänner haben, Mr Talbot. Ich würde gern nach Derby Downs fahren.«
Mit verschmitztem Lächeln sah Henry Talbot sie an. »Selbstverständlich, Miss Callaghan. Der junge Flann wird Ihnen sofort ein Gespann bereitmachen. Dauert nur eine Minute.« Er wandte sich dem Stallburschen zu und erteilte ihm mit strenger Stimme Anweisungen. Der Bursche, ein hageres Kerlchen mit roten Haaren, spitzte die Ohren.
»Vielen Dank«, sagte Francesca, deren Magen sich vor Nervosität verkrampfte. Während sie wartete, bemerkte sie plötzlich Silas Hepburn, der mit überheblicher Miene über die High Street stolzierte. Im Schutz einiger Heuballen beobachtete sie, wie er mehrere Passanten mit aufgesetzter Freundlichkeit grüßte. Sie musste daran denken, dass keiner von ihnen ahnte, welch abartiges Vergnügen es Silas bereitet hatte, die arme Lizzie zu verprügeln. Angesichts dieser Ungerechtigkeit kam ihr die Galle hoch, sodass sie sich abwenden musste.
»Fühlen Sie sich nicht wohl, Miss?«, fragte Henry Talbot und riss sie aus ihren Gedanken.
Vor Schreck fuhr Francesca zusammen. »Doch ... ich meine, es geht mir gut.«
Henry hatte einen anderen Eindruck. Sie wirkte übernervös und ängstlich. Henry vermutete, dass sie sich mit Monty gestritten hatte. »Ihre Kutsche steht bereit, Miss. Ich habe eine zahme, ruhige Stute vorspannen lassen«, sagte er freundlich.
»Danke. In ein paar Stunden bringe ich sie wieder.«
»Lassen Sie sich Zeit, Miss, und richten Sie Regina und Frederick meine Grüße aus, natürlich auch dem jungen Monty. Seit ein paar Tagen hat sich keiner von ihnen hier sehen lassen, und das ist
Weitere Kostenlose Bücher