Am Fluss des Schicksals Roman
Sie war nicht mehr dieselbe. »Er ist drüben bei den Hendersons, schon vergessen? Er will fragen, wie viele Jungbullen sie kaufen wollen.«
»Ach ja, richtig. Er wird vorerst nicht zurückkommen, oder?«
»Ich glaube nicht. Wenn es um Rinder geht, redet Sam Henderson ohne Punkt und Komma.«
Regina nickte geistesabwesend. Frederick lag die Frage auf der Zunge, ob sie sich unwohl fühle, doch in den vergangenen Tagen hatte Regina jedes Mal mit größerer Ungeduld darauf reagiert.
Nachdem Regina die Tür der Bibliothek geschlossen hatte, stürzte sie sofort auf Francesca zu und fauchte sie an: »Was wollen Sie?«
Francesca beschloss, die Frage zu ignorieren und die Angelegenheit auf ihre Weise zu regeln, falls möglich. In aller Ruhe nahm sie Platz. Doch ihre kühle Haltung war nur Fassade. In Wahrheit hatte sie ein flaues Gefühl im Magen und befürchtete, dass ihre Beine jeden Augenblick nachgaben. Sie hatte sich fast die ganze Nacht den Kopf zerbrochen, wie sie an Regina herantreten sollte. Ihr war klar, dass sie nichts aus Regina herausbekommen würde, wenn sie ihre Fragen unumwunden stellte, sodass sie offenbaren musste, was sie von Lizzie erfahren hatte.
»Sie haben vor kurzem ein Armband verloren, nicht wahr, Mrs Radcliffe?«, sagte sie mit größter Beherrschung.
Regina blinzelte überrascht, und unbewusst berührte sie ihr linkes Handgelenk. »Woher wissen Sie das? Haben Sie es etwa?«
»Nein. Lizzie Spender hat es gefunden.«
Regina blinzelte erneut. »Ich kenne keine Person dieses Namens.«
»Sollten Sie aber. Schließlich haben Sie Lizzie zu einem Treffen auf der Platypus bestellt.«
Reginas Augen weiteten sich, und Francesca hatte den Eindruck, als schwanke sie leicht. »Nein, das ... das habe ich nicht.«
»Soll ich Ihren Mann fragen, ob Sie vor einigen Tagen in die Stadt gefahren sind? Gegen sieben Uhr abends?« Francesca wusste nicht, um welche Uhrzeit das Treffen stattgefunden hatte; es war bloß ein Bluff.
»Werden Sie nicht unverschämt«, gab Regina erbost zurück.
Francesca blickte ihr fest in die Augen, um ihre Reaktion genau beobachten zu können. »Nun? Ist Ihre Erinnerung an das Treffen mit einer Prostituierten namens Lizzie Spender zurückgekehrt?«
»Und wenn schon!«, fauchte Regina, doch Francesca erkannte, dass sie in die Defensive geraten war.
»Unter anderen Umständen würde es mich nichts angehen, doch wie der Zufall es will, war ich der Grund für Ihr Treffen mit Lizzie.«
»Das stimmt«, erwiderte Regina. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie Umgang mit dieser Lizzie pflegen, und ich wünsche nicht, dass mein Sohn eine Verbindung mit einer Person eingeht, die sich mit Dirnen abgibt. Schließlich hat er einen Ruf zu wahren.«
Francesca zitterte innerlich angesichts der Arroganz, die die so genannte bessere Gesellschaft an den Tag legen konnte. »Ich verstehe aber nicht, weshalb Sie hysterisch wurden, nachdem Lizzie Ihnen gesagt hatte, dass Silas Hepburn mich heiraten wolle. Können Sie mir das erklären, Mrs Radcliffe?«
»Das ist ausgesprochener Unfug, und ich habe Ihnen überhaupt nichts zu erklären«, widersprach Regina, doch Francesca war der plötzliche Schatten, der sich auf ihr Gesicht gelegt hatte, nicht entgangen. Sie wirkte ernstlich krank.
»Dann werde ich Frederick fragen«, entgegnete Francesca und erhob sich.
»Unterstehen Sie sich!«, sagte Regina bestürzt. »Mein Mann hat mit der Sache nichts zu schaffen, und ich möchte ihn nicht unnötig aufregen. Schließlich ist sein Leben hartgenug. Er leidet schon seit der Kindheit an Gelenkrheumatismus, und er hat ein schwaches Herz.«
Francesca fragte sich, ob Regina log. Doch sie konnte und wollte das Risiko nicht eingehen, sich durch ein Gespräch mit Frederick Gewissheit zu verschaffen. Sie setzte sich wieder.
Regina trat hinter ihren Schreibtisch und nahm ebenfalls Platz. Sie war sicher, dass nie jemand die Wahrheit aufdecken würde, und entschlossen, sich nicht in die Ecke drängen zu lassen. Dennoch schien Francesca sich nicht so einfach abwimmeln zu lassen. Also musste Regina sie irgendwie besänftigen, damit sie keine weiteren Fragen stellte. Andernfalls bestand die Gefahr, dass sie Monty darauf ansprach.
»Hat Ihr Interesse für mein Muttermal etwas mit Silas Hepburn zu tun?«, fragte Francesca.
»Silas Hepburn? Lächerlich«, entgegnete Regina. »Wie kommen Sie denn auf diesen albernen Gedanken?«
Jetzt kam Francesca sich tatsächlich albern vor, weil sie diese Frage gestellt hatte.
Regina
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