Am Fluss des Schicksals Roman
Silas Hepburns nachgedacht. In den vergangenen Jahren hatte sie mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt, seine Betrügereien der Polizei zu melden, doch ihre bloße Abneigung gegen Silas war nicht Grund genug gewesen. Inzwischen aber hatte sie herausgefunden, dass er Joes Einwilligung erzwungen hatte, Francesca heiraten zu können, und das allein war Grund genug.
Regina wusste, dass Silas seit Jahren Steuern hinterzog, seine Buchprüfer bestach und Bareinkünfte verschwieg. Außerdem erpresste er die Farmbesitzer und zwang sie, Wolle und andere Waren ausschließlich von seinen Schiffen transportieren zu lassen. In seinen Hotels verkaufte er unter dem Ladentisch schwarz gebrannten billigen Fusel, und er hatte zahlreiche weitere unsaubere Machenschaften auf dem Kerbholz. Natürlich konnte Regina nichts davon vor Gericht bezeugen, ohne Gefahr zu laufen, dass Silas Frederick von ihrer einstigen Affäre erzählen würde. Aber wenn man an schriftliche Beweise käme und sie dem Richter anonym zukommen ließe ...
Regina war bewusst, dass das nicht einfach war, aber nicht einmal Silas konnte alle seine geschäftlichen Transaktionen im Auge behalten, und sie war sicher, dass sich im Laufe der vielen Jahre, in denen er nie behelligt worden war, eine gewisseNachlässigkeit bei ihm eingeschlichen hatte. Sie musste nur eine geeignete Person finden, die sich mit Buchführung auskannte, um Silas’ schmutzige Machenschaften aufzudecken.
Gleich nach Francescas Aufbruch hatte Regina sich von Claude Mauston in die Stadt bringen lassen, um Beweise aufzutreiben, mit denen Silas aus dem Weg geräumt werden konnte. Gedankenverloren schritt sie voran, als sie mit einer jungen Frau zusammenprallte, die gerade die Redaktion des Riverine Herald verließ.
»Entschuldigung«, sagte die junge Frau erschrocken.
In ihrer Geistesabwesenheit nahm Regina sie kaum wahr. Erst nach einem zweiten Blick in das hübsche Gesicht erkannte sie Clara Whitsbury. »Nicht zu fassen. Clara!«
»Freut mich, Sie zu sehen, Mrs Radcliffe.«
Regina musterte die rotbraunen Locken der jungen Frau, ihre makellose Haut und ihre wohl gerundete Figur. »Sie sind erwachsen geworden, Clara. Sie haben sich zu einer reizenden jungen Dame entwickelt.«
Clara errötete. »Vielen Dank, Mrs Radcliffe.«
»Haben Sie Ferien vom Internat?«
»Nein, ich habe meine Ausbildung abgeschlossen. Ich hatte soeben ein Vorstellungsgespräch bei Mr Peobbles.«
Regina sah zu dem Redaktionsbüro. »Ein Vorstellungsgespräch?«
»Ja, für die Stelle als Schreibkraft in der Redaktion.« Sie zeigte Regina die Stellenanzeige in der Zeitung, die sie in der Hand hielt.
Regina war konsterniert. Sie rühmte sich, stets genauestens über die Zeitung und ihre sonstigen geschäftlichen Interessen informiert zu sein. Zwar hatte sie gewusst, dass demnächst eine Stelle für eine zusätzliche Bürokraft ausgeschrieben werden sollte, doch ihr war nicht bekannt gewesen, dass Warren Peobbles die Anzeige bereits aufgegeben hatte und sogarschon Vorstellungsgespräche führte. Regina wurde bewusst, wie zerstreut sie in letzter Zeit war. Dennoch war die Begegnung mit Clara eine willkommene Überraschung und eine Gelegenheit, die sie nicht versäumen durfte.
»Ich werde bei Mr Peobbles ein gutes Wort für Sie einlegen, Clara«, sagte sie. »Allerdings nur unter einer Bedingung ...«
Claras Rehaugen wurden noch größer. »Und die wäre?«
»Dass Sie mit mir nach Derby Downs kommen und mir beim Tee Gesellschaft leisten.«
Clara kniff überrascht die Augen zusammen und dachte kurz nach. Da sie ihren Eltern gesagt hatte, sie wolle nach dem Vorstellungsgespräch noch einen Einkaufsbummel machen, hatte sie Zeit. »Sehr gerne, Mrs Radcliffe.«
»Sind Sie seit Ihrer Rückkehr schon Monty begegnet?«
»Nein«, erwiderte Clara und errötete erneut. In den Schulferien hatte sie Monty hin und wieder gesehen, und sie hielt ihn für den attraktivsten Mann in ganz Echuca, wenn nicht in ganz Victoria. Sie bekam Herzklopfen, wenn nur von ihm gesprochen wurde.
Clara und Regina schlenderten gemeinsam weiter. Kurz darauf wurde Regina von einer ihrer Nachbarinnen, Mrs Bloom, angehalten. Stolz stellte Regina ihr Clara vor, als sie plötzlich bei einem zufälligen Blick in die Teestube Francesca erspähte, die sich angeregt mit Silas Hepburn unterhielt. Reginas Herz setzte einen Schlag aus.
Francesca hatte sie ebenfalls erblickt und stutzte angesichts ihrer Reaktion: Reginas Augen waren weit aufgerissen, und ihr
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