Am Fluss des Schicksals Roman
hatte sich in einen schmalen Wandschrankgezwängt, in dem Francescas Kleider hingen. Sie hatte schreckliche Schmerzen und eine solche Angst, dass sie kaum Luft bekam. Kurz darauf wurde die Tür wieder zugeschlagen.
Nachdem sich mehrere Minuten lang nichts geregt hatte, nahm Lizzie ihren ganzen Mut zusammen und öffnete vorsichtig die Schranktür. Sie lauschte, ob sie Silas hörte; stattdessen stieg ihr ein merkwürdiger Geruch in die Nase. Prüfend schnupperte sie. Rauch! Im ersten Moment nahm sie an, dass am Ufer ein Feuer brannte, doch gleich darauf sah sie, dass der Rauch unter ihrer Tür hereindrang, sodass sie vor Panik beinahe ohnmächtig wurde.
»O Gott, er will mich bei lebendigem Leib verbrennen!« Es übertraf ihre schlimmsten Albträume. Schreiend riss sie die Tür der Kajüte auf. In dem schmalen Gang draußen brannte ein Stapel Holz. Es war nicht zu übersehen, dass das Feuer absichtlich gelegt worden war. Lizzies Verstand raste. Silas musste ihr nachspioniert und abgewartet haben, bis sie allein an Bord war. Bestimmt hatte er durchschaut, dass sie sich in dieser Kajüte versteckte. Deshalb hatte er das Feuer vor ihrer Tür entfacht. Er wollte sie beseitigen, ohne in Verdacht zu geraten.
Lizzie versuchte, am Feuer vorbeizukommen, doch es gelang ihr nicht. Es gab keinen Ausweg. Sie saß in der Falle.
»Wir müssen Dad dringend finden, Neal«, sagte Francesca. Sie stand neben ihm im Ruderhaus. Ned war nach unten in den Kesselraum gegangen, um Holz nachzulegen. Aufgebracht, wie er war, holte Neal alle Kraft aus der Maschine der Ophelia heraus und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit.
»Wir finden ihn, Francesca«, sagte er und legte beschützend den Arm um ihre Schulter. »Mir will nicht in den Kopf, dass Joe fähig ist, die Marylou in Brand zu stecken.«
»Ich kann es auch nicht begreifen. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der Gedanke, die Marylou an Silasabzugeben, Dad das Herz bricht. Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig. Was für ein Glück, dass die Reparaturen an deinem Schiff so schnell erledigt waren.«
»Eigentlich sollte die Ophelia erst in einigen Wochen fertig sein«, entgegnete Neal stirnrunzelnd. »Ich habe gesehen, dass andere Schiffe, die schon länger im Trockendock liegen, immer noch nicht fertig sind.« Er blickte Francesca an und hatte plötzlich den Verdacht, dass jemand im Hintergrund die Fäden gezogen hatte. Aber wer und warum? Und was versprach der Betreffende sich davon?
Joe stand am Ufer, eine Flasche Rum in der Hand. Erneut nahm er einen Schluck, während er schwermütig zusah, wie immer größere Rauchschwaden von der Marylou emporstiegen. Obwohl sein ganzes Herz an dem Schiff hing, war es ihm lieber, es lag auf dem Grund des Flusses, als Silas Hepburn die Genugtuung zu verschaffen, es ihm wegzunehmen.
Plötzlich zerriss ein schriller Schrei die Luft. Entsetzt ließ Joe die Flasche fallen, die vor seinen Füßen auf den Klippen zerschmetterte. »Francesca«, brüllte er, und alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Er überlegte fieberhaft. Er war sicher, dass Ned ihm gesagt hatte, Francesca sei unterwegs, um etwas zu erledigen; nun fragte er sich, ob er Ned missverstanden hatte und Francesca noch an Bord war.
Mit einem Satz sprang er an Deck und rannte zu Francescas Kajüte, doch die Hitze des Feuers ließ ihn zurückweichen. Plötzlich bemerkte er eine Frau hinter den Flammen, die in panischem Entsetzen schrie, und ihm blieb fast das Herz stehen. Er versuchte, am Feuer vorbeizukommen, doch es gelang ihm nicht.
»Helfen Sie mir!«, schrie Lizzie. »Sonst verbrenne ich!« Sie hatte bereits versucht, sich durch eine Luke zu zwängen, aber diese war zu eng.
»Halten Sie durch!«, rief Joe ihr zu. Er schnappte sicheinen Eimer an einem Seil, den er in hohem Bogen über Bord warf, um Wasser zu schöpfen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Eimer voll war. Die Sekunden kamen ihm wie Stunden vor, während die Angstschreie der Frau in seinen Ohren hallten. Nachdem er den Eimer eingeholt hatte, goss er das Wasser in die Flammen. Entsetzt beobachtete Lizzie, dass es kaum Wirkung zeigte.
»O Gott«, rief Joe verzweifelt. Beim Anblick des angsterfüllten, zerschundenen Gesichts der Frau war er versucht, durch die Flammen zu rennen und sie ans Freie zu tragen, doch die Hitze drängte ihn zurück. »Holen Sie eine Decke«, rief er ihr zu. »Schnell!«
Lizzie stand kurz vor einer Ohnmacht und reagierte nicht.
»Schnappen Sie sich eine Decke«, rief Joe erneut.
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