Am Fluss des Schicksals Roman
kein Grund, mir weiter zu verschweigen, was Sie wissen, Regina.«
»Ja, Francesca. Ich wäre nicht hier, wenn es nicht dringend wäre, dass Sie die Wahrheit erfahren.«
»Dringend? Wieso?«
»Weil ich gestern Abend zufällig hörte, dass Silas zu Rebecca Peobbles sagte, er habe die Absicht, in zwei Wochen mit Ihnen vor den Traualtar zu treten.«
Francesca schnappte hörbar nach Luft. »Er hat mir eine lange Verlobungszeit versprochen.«
»Er ist nicht der Mann, der seine Versprechen hält.«
Francesca kam sich töricht vor, weil sie ernsthaft geglaubt hatte, Silas würde ihre Vereinbarung respektieren. »Ich verstehe nicht, weshalb Sie dagegen sind, dass wir heiraten.« Sie wollte Regina vorerst verschweigen, dass sie keinesfalls vorhatte, Silas’ Frau zu werden.
Regina erblasste. Dann sagte sie stockend: »Silas ist ... Ihr Vater.«
»Wie kommen Sie zu dieser Behauptung?«
»Es ist die Wahrheit.«
»Nie und nimmer!«
»Es tut mir Leid, Francesca, aber ich schwöre beim Leben meines Sohnes, dass es wahr ist.«
Francesca wurde mit einem Mal furchtbar schlecht. Sie sprang aus der Kutsche und atmete tief durch, um gegen die Übelkeit anzukämpfen. Regina stieg ebenfalls aus.
»Ich weiß, dass es ein furchtbarer Schock für Sie ist, Francesca«, sagte sie, während sie unablässig die Hände rang. »Hätten Sie einen anderen Mann gewählt, hätte ich Ihnen das erspart, aber ich kann doch nicht zulassen, dass Sie Ihren eigenen Vater heiraten!«
Francesca geriet außer sich, und Tränen standen ihr in den Augen. »Wie kann dieser entsetzliche Mann mein Vater sein?« Dabei kamen ihr kurz Lizzies Worte in den Sinn, als sie ihr das Treffen mit Regina an Bord der Platypus geschildert hatte: »Mir schien, als hätte Regina gesagt, dass Sie Silas’ Tochter sind ...« Bestimmt war Regina die Bemerkung damals unbeabsichtigt herausgerutscht. Und nun ergab es auch Sinn, weshalb sie die Fassung verloren hatte, nachdem Lizzie Silas’ Heiratsabsichten erwähnt hatte.
Regina senkte den Blick. Der Abscheu und der Hass in Francescas Augen trafen sie zutiefst.
»Wie kann das sein, Regina? Sagen Sie es mir.«
Regina wandte sich ab. Sie hatte sich vorgenommen, Francesca die ganze Wahrheit zu sagen, doch es fiel ihr ungeheuer schwer. Sie hatte dieses Geheimnis so lange für sich bewahrt, dass es ihr jetzt nicht so einfach über die Lippen kam.
Francesca stellte sich vor Regina hin und packte sie an den Schultern. »Sagen Sie es endlich, Regina! Sonst frage ich Silas!«
»Er weiß nichts davon«, flüsterte Regina.
»Woher wissen Sie es dann?«
Regina starrte in Francescas blaue Augen, die nur eine Spur dunkler waren als ihre eigenen.
Allmählich dämmerte Francesca die Wahrheit, und sie ließ vor Entsetzen die Arme sinken. Mit einem Mal ergaballes einen Sinn. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Zahlen und Buchführung, die dunklen Haare, die blauen Augen ...
»Mein Gott. Sie sind meine Mutter, nicht wahr?«
Da Regina es nicht abstritt, erkannte Francesca, dass es die Wahrheit war. Die zwei Menschen, die sie auf der ganzen Welt am meisten verabscheute, waren ihre leiblichen Eltern. Der Gedanke war unerträglich. Sie eilte davon, hinunter zum Fluss, wo sie mit verschränkten Armen dastand und zu den Eukalyptusbäumen auf der anderen Uferseite starrte. Sie war zu betäubt, um zu weinen.
Kurz darauf trat Regina an ihre Seite.
»Das ist doch nicht wahr?«, flüsterte Francesca. Auch wenn sie im Herzen wusste, dass es stimmte, wollte sie es nicht akzeptieren.
»Es ist wahr, Francesca«, entgegnete Regina leise.
»Warum soll ich Ihnen plötzlich glauben? Sie haben mich drangsaliert und beleidigt, auf ganz gemeine Weise ...« Erneut musste sie an die grausamen Worte denken, die Regina ihr ins Gesicht geschleudert hatte.
»Ich weiß, Francesca, aber denk nach. Bei deinem ersten Besuch auf Derby Downs hatte ich Vorbehalte gegen dich, weil ich der Ansicht war, dass Monty etwas Besseres als eine Schifferstochter verdient hat. Aber du hast durch deinen Charme, deine Intelligenz und deine Schönheit bestochen, und du bist eine sehr patente junge Frau. Ich war begeistert von dir, und das habe ich Monty auch gesagt. Ich war uneingeschränkt für diese Verbindung. Ich selbst habe Monty gebeten, dich übers Wochenende auf die Farm einzuladen. Erst als ich dein Muttermal entdeckte, wurde mir klar, wen ich vor mir hatte. Verstehst du denn nicht, Francesca? Monty ist dein Halbbruder! Ich musste einen Keil zwischen euch treiben. Es
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