Am Fluss des Schicksals Roman
Schiff schleifte, um sie dort klein zu hacken, oder an Ort und Stelle zerlegte und dann an Bord trug. Er hielt gerade nach einem weiteren großen Ast Ausschau, als er plötzlich einen leblosen Körper am Ufer erspähte. Im ersten Moment nahm er an, dass es sich um einen Ertrunkenen oder Ermordeten handelte, doch bei genauerem Hinsehen erkannte er Jock McCree.
»Jock«, sagte er und rüttelte ihn an der Schulter. Er war zwar völlig verdreckt, wies aber keine sichtbaren Verletzungen auf. Neal kam der Gedanke, dass er vielleicht an einer tödlichen Krankheit gestorben war, bis er die leere Flasche neben ihm entdeckte.
Jock war seit vielen Jahren als Säufer bekannt. Er hatte weder eine feste Unterkunft noch irgendwelche Verwandten. Er belästigte häufig Leute, um Geld oder Essen zu erbetteln, doch Neal hatte immer Nachsicht mit Jock gezeigt. Jock wusste heitere Anekdoten zu berichten, da er ein abwechslungsreiches, abenteuerliches Leben geführt hatte – zumindest gab er es vor. Wenn man ihm Glauben schenken durfte, hatte er in jungen Jahren zweimal auf den Goldfeldern ein Vermögen gemacht und wieder verloren, was eine beachtliche Leistung ist, die nur wenige schaffen. Er behauptete, das erste Vermögen verspielt und für Weibsbilder verschleudert zu haben, während das zweite ihm angeblich geraubt worden war. Die meisten Leute hielten Jock für einen Aufschneider mit einer blühenden Fantasie, weil er seine Geschichten ständig ausschmückte, und je betrunkener er war, desto schlimmer übertrieb er.
Als er auch auf heftiges Rütteln nicht reagierte, machte Neal sich ernsthafte Sorgen. Er drehte Jock auf den Rücken und legte ihm die Hand auf die Brust, um seinen Herzschlag zu fühlen. »Jock«, sagte er eindringlich.
»Nich’ so laut«, protestierte plötzlich der alte Vagabund in seinem schweren schottischen Akzent. »Hab ’nen Brummschädel.«
Neal stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Du hast mir einen Heidenschreck eingejagt, Jock. Na los, hoch mit dir«, sagte er.
»He, was soll das, Kumpel?«, sagte Jock entrüstet und schob Neals Hand weg. Neal erschrak, dass die Hände des alten Mannes kalt wie Eisklötze waren, und er sah, dass Jocks Zehen aus den Löchern in seinen Socken und Schuhen ragten.
»Lass mich in Ruhe«, grummelte Jock und rollte sich wieder zusammen. Er trug einen schäbigen Anzug, der völlig verdreckt war. Unter seinem Jackett trug er ein Hemd mitausgefranstem Kragen und einen löchrigen Pullover. Neal erschien es wie ein Wunder, dass Jock sich keine Lungenentzündung geholt hatte, zumal es nachts sehr kalt sein konnte.
»Komm schon, Jock, du siehst aus, als könntest du einen heißen Tee und etwas zu essen vertragen.«
Daraufhin murmelte Jock wüste Verwünschungen, die Neal aber nicht persönlich nahm. Stattdessen zog er ihn auf die Beine. Der alte Mann stöhnte, als seine steifen Knochen knackten.
»Du stinkst, Jock«, sagte Neal. »Wann hast du das letzte Mal gebadet?«
»O Mann, der Fluss ist saukalt«, gab Jock zurück.
»Puh«, stieß Neal aus, als er erneut einen Hauch von ihm abbekam.
»Ich hab auch Gefühle, weißt du, Kumpel«, stieß Jock zornig hervor.
»Aber offensichtlich keinen Geruchssinn mehr«, erwiderte Neal.
Jock zuckte die Achseln. »Ich kenne ja keine Damen, die ich beeindrucken muss. Im Gegensatz zu dir.«
»In deinem Fall ist das auch gut so, und ich habe inzwischen meine Herzensdame gefunden.«
»Willst mich wohl veräppeln, Kumpel? Ein hübscher Kerl wie du hat doch jede Menge Eisen im Feuer.«
»Das ist vorbei. Ich bin jetzt verheiratet.«
»Verheiratet?«
»Ganz recht. Mit dem bezauberndsten Mädchen der Welt.«
Nachdem Neal ihn an Bord der Bunyip geschafft hatte, brühte er Tee auf.
»Hier an Bord gibt es jede Menge heißes Wasser. Du kannst ein Bad nehmen, sobald du etwas gegessen hast«, sagte er.
Jock rieb sein stoppeliges Kinn. »Ich könnte auch eine klitzekleine Rasur vertragen«, sagte er.
Neal musste über seine plumpe Andeutung fast lächeln. »Du kannst mein Rasiermesser benutzen.«
Nachdem Neal zwei Tassen mit Tee gefüllt hatte, schnitt er zwei dicke Brotscheiben und ein großes Stück Käse ab und machte sich dann daran, heißes Wasser in die Wanne zu gießen.
»Du hast nicht zufällig ’n Schluck Rum für den Tee, Kumpel?«, rief Jock zu ihm herüber.
»Nein«, entgegnete Neal. »Du musst ihn so trinken, aber er wird dir trotzdem gut tun.«
Jock murmelte fluchend vor sich hin; dennoch nippte er dankbar am heißen
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