Am Fluss des Schicksals Roman
hat, und das hat mir am schlimmsten zugesetzt. Aber ich habe ihr verziehen, Neal. Das Tragische daran ist – wäre Monty im Bilde gewesen, hätte er niemals den Anschlag auf dich verübt und müsste jetzt nicht den Galgen fürchten.«
»Mag sein, Francesca. Aber Mord ist keine Lösung, wenn die Frau, die man liebt, einen anderen zum Mann nimmt. Das kann ich Monty nicht verzeihen.«
Francesca verstand, wie Neal sich fühlte. »Ich habe aber das Gefühl, dass ich an dieser Tragödie nicht unschuldig bin. Es wird noch lange dauern, bis das alles verarbeitet ist, Neal. Ich möchte bloß wissen, ob du jetzt verstehst, weshalb ich bei Regina war.«
Neal nickte, wirkte aber dennoch bekümmert. »Aber ich habe kein Verständnis dafür, dass du Monty besuchst, Francesca. Versprichst du mir, es nicht zu tun?«
Francesca versprach es, und Neal schloss sie erneut in die Arme.
Am nächsten Tag machte Francesca sich auf den Weg zu ihrem Vater, Ned und Lizzie. Als sie die Marylou erreichte, wirkte ihr Vater schlecht gelaunt.
»Was ist, Dad?«, fragte sie.
»Nichts«, gab Joe brüsk zurück und stieg zum Ruderhaus hoch.
Francesca blickte Ned verwundert an. »Was hat er denn?« Sie wusste, das diese Schroffheit Joes Methode war, wenn er seine Gefühle nicht zum Ausdruck bringen konnte. Das war schon immer so gewesen.
Ned führte sie in die Kombüse und machte die Türhinter ihnen zu. Er schenkte Tee in zwei Tassen und setzte sich. »Ich weiß es nicht genau, aber Lizzie ist verschwunden. Ich habe mitbekommen, dass sie vorhat, in der Wäscherei zu arbeiten, die Henrietta Chapman eröffnet hat.«
»Sie hat bereits eröffnet?« Henrietta steckte voller Überraschungen. In geschäftlichen Dingen schien sie genauso zielstrebig zu sein wie Silas, aber glücklicherweise besaß sie nicht dessen Skrupellosigkeit.
»Ja, sie hat den alten Wollschuppen am Ende der Uferpromenade gepachtet und einen Kessel, der von einem gesunkenen Dampfer stammt, und mehrere Bottiche gekauft. Ich glaube, sie hat bereits ein halbes Dutzend Frauen eingestellt. Lizzie hat durch einen der Handzettel davon erfahren, die Henrietta drucken und auf allen Schiffen am Pier verteilen ließ, um für ihre Wäscherei zu werben.«
»Ich dachte, Lizzie ist glücklich, an Bord der Marylou leben und arbeiten zu können«, sagte Francesca.
»Sie war auch glücklich. Ich glaube, genau da liegt der Hase im Pfeffer.«
»Ich verstehe nicht, Ned ...«
»Lizzie und Joe sind sich sehr nahe gekommen.«
»Und warum ist das ein Problem?«, fragte Francesca nichts ahnend.
Ned hob die Brauen, und Francescas Augen weiteten sich. »Willst du damit sagen ...«
»Ja. Beide hegen ernste Gefühle füreinander.«
Francesca schnappte nach Luft. »Etwa ... romantische Gefühle?«
»O ja«, erwiderte Ned.
»Dad und Lizzie?«
»Ja. Sie waren sich schon sehr nahe gekommen, bevor wir nach Goolwa übergesetzt haben, aber ich glaube, dass sich mehr daraus entwickelt hat.«
»Dad ... und Lizzie«, wiederholte Francesca. Sie konntenicht fassen, dass sie es nicht bemerkt hatte. »Warum hat mir keiner der beiden etwas davon gesagt?«
»Du kennst doch deinen Vater. Über solche Dinge spricht er nicht, nicht einmal mit mir. Er findet, dass es nur ihn etwas angeht. Und was Lizzie betrifft, habe ich so eine Vermutung, weshalb sie dir nichts gesagt hat.«
»Und die wäre?«
»Bestimmt glaubt sie, du hast wegen ihrer Vergangenheit etwas gegen die Verbindung.«
Francesca hatte gar nicht die Zeit gehabt zu überlegen, wie sie darüber dachte. Stattdessen fragte sie Ned: »Wie denkst du denn darüber, Ned? Schließlich seid ihr beide schon seit vielen Jahren unter euch.«
»Das hört sich an, als wären wir zwei verkalkte alte Junggesellen.«
Francesca musste lächeln. »Du weißt schon, wie es gemeint war.«
»Ja. Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich darüber, Fran. Immerhin bin ich ein gutes Stück älter als dein Vater, was vermuten lässt, dass er eines Tages alleine zurückbleibt.«
»Bitte, Ned, sag so etwas nicht.«
»Es ist nun mal die Wahrheit, Frannie. Aber mach dir keine Sorgen, ich hab noch ein paar Jährchen und bleibe euch noch eine Weile erhalten. Aber ich hatte schon seit längerem gehofft, dass dein Vater eine Frau kennen lernt, die ihn genauso liebt, wie deine Mutter ihn geliebt hat.«
»Und du meinst, Lizzie ist diese Frau?«
»Ja.«
Francesca hatte keine Mühe, die Wäscherei zu finden. Tatsächlich stand Lizzie an einem der Bottiche, wo sie fremde Wäsche auf
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