Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Erstes muss ich ein paar Leute anrufen. Mich entschuldigen.«
»Alles klar. So starten Betrunkene in den Tag.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass du so in den Tag startest.«
»Na ja, ich bin nicht betrunken, ich bin Alkoholiker. Das ist ein Unterschied.«
Solche Feinheiten waren zu viel für mich. Der Kopfschmerz meldete sich wieder. »Klär mich auf.«
»Ich kann fast eine ganze Flasche Cognac am Tag niedermachen – das tue ich seit vierzig Jahren –, aber ich werde nie betrunken. Ich mag es überhaupt nicht, die Kontrolle zu verlieren.«
»Verstehe.«
»Ich bin nicht sicher. Betrunkene, besonders gemeine wie du, schaden nämlich dem Ansehen von Alkoholikern.«
Ein letzter Rest von Selbstachtung stieg in mir hoch. »Normalerweise führe ich mich nicht so auf.«
Er lachte. »Dann wärst du auch schon tot.«
»Ich hatte ein paar ... Rückschläge zu verkraften.«
Wieder lachte er. »Gut. Du hattest für einen Tag einen Freibrief, dich wie ein Arsch zu benehmen. Der Tag ist vorbei, mein Freund. Was hast du also vor?«
»Ich weiß nicht.«
»Vergiss es! Du hast einen Tag damit vergeudet, dich selbst zu bemitleiden. Dich zu verstecken. Dir eine flüssige Decke über den Kopf zu ziehen. Einen Tag. Mehr gibt’s nicht! Weißt du, was dich dazu gebracht hat? Warum du dir das angetan hast?«
»Ja.«
»Gut. Dann bist du besser beieinander als die meisten Betrunkenen dieser Welt. Und nun los, kümmer dich um deinen Kram.«
»Roger, ich kann nicht ...«
»Richtig. Du kannst nicht einfach nach Louisiana fliegen. Das hab ich verstanden. Aber du kannst ein paar Sachen regeln, oder? Fang mit etwas Einfachem an. Wie wär’s mit duschen? Rasieren? Das wär schon mal was. Dann nimm dir eins der Dinge vor, die du von hier aus machen kannst, und tu es, verdammt! Nur eine Sache. Wenn du das geschaffthast, bist du auf dem besten Weg, wieder ein Mensch zu werden. Und dann kannst du – wenn es wirklich sein muss – dich hier und da entschuldigen.«
»Zum Beispiel bei Wanda.«
»Okay, ja. Das würde auf meiner Liste ganz oben stehen. Aber wenn du ihr zu unterwürfig kommst, wird sie nie wieder Respekt vor dir haben. Du musst stark sein. Und was du auch tust ...«
»Ich weiß. Keine Blumen.«
Am Montag würde ich den Bewährungshelfer anrufen. Er musste mir erlauben, mich auf die Suche nach meinem Sohn zu machen. Wenn ich etwas hatte, das ich in die Waagschale werfen konnte, würde Brady mich unterstützen. Irgendwann würden Maloney und er sich wieder mit Arrowhead befassen, und ich hatte, was sie dann brauchten.
»Eine Sekunde.« Ich zog mein Jackett von der Schranktür und durchsuchte die Taschen. Die Sticks aus Hochstadts Wohnung waren alle da, auch der im Silberpapier.
»Du bist ein echter Freund, Roger, danke dir. Hier hab ich was, was ich zu Ende bringen kann. Wenn hier die Informationen drauf sind, von denen ich annehme, dass sie es sind, dann kann ich die Kerle festnageln.«
»Na siehst du. Schon hast du etwas, worauf du dich freuen kannst. Mehr brauchst du nicht im Leben. Etwas zu tun. Jemanden, den du liebst. Und etwas, worauf du dich freuen kannst. Alles wird gut!« Er stand auf, warf den kaum angeknabberten Muffin in den Müll und ging zur Tür. »Mein Job hier ist erledigt. Jetzt muss ich mich mit Wanda treffen, und wir müssen eine Bande Fünfjähriger unterhalten. Ich hab nichts, worauf ich mich freuen kann.«
»Danke noch mal! He, und sag Skeli ... ich meine, Wanda ...« Es waren zu viele Dinge, die ich ihr sagen musste. »Weißt du was? Sag ihr gar nichts.«
»Ja, ich glaube, das ist das Beste.« Er war schon halb zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umdrehte. »Ich Trottel, das hab ich ganz vergessen. Da draußen beim Fahrstuhl treiben sich zwei Cops herum. Einer unten und einer hier oben auf deiner Etage.«
»Das ist beruhigend.«
»Sicher, aber was meinst du, wie lange deine Nachbarn das noch lustig finden? Viel Glück, mein Freund!«
Ich war New Yorker, ich erkannte meine Nachbarn nicht, selbst wenn ich ihnen in der Lobby begegnete. »Danke, aber das Problem steht auf meiner Liste nicht so weit oben.«
Ich schloss hinter ihm ab und stellte mich unter die Dusche.
26
Wenn der Markt alles daran setzt, ihm eine schmerzliche Lektion zu erteilen, wenn all seine grauen Zellen nach Sicherheit schreien, nach Trost und Schutz, und wenn jede noch so wohlüberlegte, auf Bewertung, statistischen Zusammenhängen und gründlicher Analyse basierende Strategie totalen Pfusch hervorgebracht
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