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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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hatte ich Stockman warten lassen – ihn in New York einzugewöhnen war mir wichtiger gewesen, als Weld Securities vor übereifrigen Kontrolleuren zu schützen.
    Nicht, dass es einfach gewesen wäre.
    Eine Woche zuvor hatte ich schweißtriefend vor dem Louis-Armstrong-Airport in New Orleans gestanden und auf den Menschen vom Autoverleih gewartet, der mir meinen Dodge-Charger bringen sollte – ich hatte mir für zwei Dollar zusätzlich das große Modell gegönnt. Es war Hurrikan-Hochsaison, extrem warm, extrem hohe Luftfeuchtigkeit, und trotzdem war der Flug am Samstagmorgen praktisch ausgebucht gewesen. Laissez les bons temps rouler , wie man auf Cajun-Französisch wohl sagen würde.
    Drei Stunden später bog ich in die Hoptree Lane ein und rollte die Muschelkalkauffahrt von Mamma Oubre hinauf. Das Haus stand etwas von der Straße zurückgesetzt, den Vorplatz überschattete eine alte Virginia-Eiche. Von ihren Ästen hingen, reglos in der feuchten Luft, lange Spanischmoos-Gespinste. Ich hatte zum Mittagessen kurz angehalten, und die Shrimps mit Tabasco rumorten noch in meinemMagen – oder mein Bauch sagte mir einfach, dass ich mich fürchtete vor dem, was mich erwartete.
    Kaum öffnete ich die Wagentür, beschlugen die Fenster, und ich hatte das Gefühl zu ersticken. Es war, als versuchte ich, Suppe zu atmen. Ich wischte meine Sonnenbrille trocken und stieg aus. Mamma trat aus der Tür und blieb auf der Veranda stehen. Es fühlte sich an, als hätte sie schon nach mir Ausschau gehalten. Und ihr war anzusehen, dass sie nicht genau wusste, ob sie mich einfach willkommen heißen oder besser warnen sollte.
    Das Willkommen gewann die Oberhand. Das tut es in ihrer Welt immer.
    »Na, wenn das keine Überraschung ist! Jason, mein lieber Junge. Bist du den ganzen weiten Weg von New York City hergekommen!« Mamma war nur fünf Jahre älter als ich, aber sie war mit vierundvierzig Großmutter geworden. Ich nahm an, ich würde auch die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre noch »Jason, mein Junge« sein.
    »Ist Angie da?«
    Mamma runzelte kurz die Stirn – so direkt zur Sache zu kommen grenzte hart an Unhöflichkeit. Aber dann vergab sie mir wohl, entweder weil sie mich nach wie vor mochte oder weil sie eingesehen hatte, dass fast alle Nordstaatler dasselbe Gebrechen hatten und es Sünde war, von Minderbemittelten Schlechtes zu denken.
    »Komm erst mal her und sag mir richtig guten Tag. Ich will eine Umarmung und ein Küsschen in allen Ehren, hier auf die Wange. Dann kannst du anfangen, mich auszufragen.«
    Ich gehorchte. Schließlich saßen wir unter einem sich langsam drehenden Ventilator auf altersschwachen weißen Korbstühlen und tranken süßen Eistee – ein Gebräu, das nördlich der Mason-Dixon-Linie jeglichen Geschmack einzubüßen scheint. Auf Mammas Veranda wurde es zum Elixier.Sie erkundigte sich nach dem Befinden meines Vaters, und ich musste versprechen, ihn aufs Herzlichste zu grüßen. Sie erneuerte ihr Versprechen, eines Tages nach New York zu kommen – ein Versprechen, das nicht ernst zu nehmen ich längst gelernt hatte. Sie rief mir in Erinnerung, dass sie – obwohl ihr Pfarrer immer vor dem Theater warne – durchaus modern eingestellt sei und sich zu gern eines Tages eine Broadway-Inszenierung anschauen würde.
    » Hairspray vielleicht. Der Film hat mir so gut gefallen.«
    Ich gab mir die größte Mühe, nett zu sein – das war alles, was sie erwartete, so als könne sie sich durch eine angenehme Unterhaltung die Realität eine Weile vom Leibe halten. Ich mochte sie, trotz allem, und ließ der altmodischen Konversation ihren Raum. Sie hatte noch zu Highschool-Zeiten geheiratet, einen Scheißkerl, dessen einziger Beitrag zum Familienfrieden darin bestanden hatte, dass er irgendwann abgehauen war. Ein Jahr später, als seine Tochter gerade in den Kindergarten kam, war er auf einer Bohrinsel tödlich verunglückt. Wegen der Flasche in seiner Hosentasche und eines Blutalkoholwertes, der deutlich über dem lag, was für das Arbeiten an schweren Maschinen zulässig gewesen wäre, hatte die Versicherung sich geweigert zu zahlen. Mit dem Lohn einer Schulköchin hatte Mamma zwei Kinder großgezogen, Angie und ihren Bruder Tino. Was ihr die Kraft zum Durchhalten verliehen hatte, waren ihre Kirche, ihre Kinder und ihr Lebensmut.
    »Ich weiß, du hast die weite Reise nicht gemacht, um mit mir zusammenzusitzen. Du kannst jetzt ruhig nach Angie fragen, aber ich weiß nicht, wie viel ich dir erzählen kann. An den

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