Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
für den Jungen«, sagte sie.
Auch wenn ich nicht an diesen Gott glaube, bin ich doch davon überzeugt, dass Gebete Wunder wirken können. Manchmal besteht das Wunder allein in dem Trost, den der Betende im Gebet findet – aber das kann schon genügen.
»Ich weiß. Danke, Mamma.«
»Auch für dich und meine Tochter bete ich. Du hast ihr so gutgetan, das habe ich immer gespürt. Sie kann chaotisch sein, ich weiß. In der Hinsicht hat sie einiges von ihrem Vater. Aber mit dir, dachte ich, hätte sie ein bisschen Ruhe gefunden. Frieden. Du warst so solide.«
»Alles Fassade.«
»Das glaube ich nicht. Ich verstehe nichts von Geld und von dem, was du da machst, aber ich weiß, dass du kein schlechter Mensch bist, Jason. Ich bete immer noch für dich.«
»Danke dir.« Ich hielt mich auch nicht für einen schlechten Menschen, aber es tat gut, das von jemandem anders gesagt zu bekommen.
»Nur von Scheidung halte ich gar nichts. Das ist eine Sünde. Ich habe mich nie scheiden lassen. Was Gott zusammengeführt hat? Hmm? Angie hat das auch wehgetan. Sie hat dir das vielleicht nicht gezeigt, aber es hat ihr sehr wehgetan. Das habe ich gesehen.«
Angie und ich hatten das alles zu oft durchgesprochen, als dass sie mich hätte falsch verstehen können. Aber vielleicht hatte ich meinerseits ihr nicht richtig zugehört.
»Ich wollte sie nie verlassen – ich wollte auch nicht, dass sie mich verlässt. Die Scheidung war einzig und allein eine Möglichkeit, einen Teil unseres Geldes in Sicherheit zu bringen. Die Behörden haben so gut wie alles, was nicht auf sie überschrieben war, einkassiert. Der Plan war, dass sie auf mich wartet und wir dann neu anfangen. Wäre sie nicht weggelaufen, würden wir jetzt schon in New York auf die neuen Heiratspapiere warten.«
»Also habt ihr euch nur wegen des Geldes scheiden lassen?«
»Genau. Das Gericht hat mir gerade genug gelassen, dass ich meine Anwälte bezahlen konnte, und da habe ich noch Glück gehabt.«
Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß nicht, warum du das nicht begreifst, junger Mann. Das mit dem Geld macht es noch schlimmer. Die Sünde der Habgier entschuldigt die Sünde der Scheidung kein bisschen.«
Wieder stieg Ärger in mir hoch. Es war, als versuche man, mit einem Anhänger der Libertarier über Politik zu reden. Das läuft immer ganz schnell auf Ideologie hinaus.
»Können wir uns auf Folgendes einigen, Mamma? Ich bin hier, und ich will, dass alles in Ordnung kommt. Ich möchte,dass Angie und ich wieder zusammenfinden. Ich möchte, dass wir unser Leben teilen und versuchen, unseren Sohn – wie schwierig es auch mit ihm sein mag – gemeinsam aufzuziehen.«
Nun wich sie zum ersten Mal, seit ich angekommen war, meinem Blick aus.
»Ich weiß, wie meine Kleine ihr Geld verdient hat. Sie hat für diese Unterwäschewerbung posiert, mit nicht mehr auf dem Leib als einem Klecks Spitze. Ich kann dir sagen, ich war heilfroh, als sie dich kennengelernt und mit diesen Sachen aufgehört hat. Ich weiß auch, wie gern sie in der Großstadt gelebt und so getan hat, als sei sie auch so kultiviert und weltläufig. Aber sie hat auch andere Seiten. Sie ist trotz allem immer das Cajun-Mädchen geblieben, das einfach gut aussieht und Glück gehabt hat. Und als ihr Mann sich hat scheiden lassen – wegen des Geldes, wohlgemerkt –, hat sie das sehr getroffen. Es jat ihr wehgetan, Jason.«
Zwischen den Zeilen schwang etwas mit, das sie nicht sagte, aber zu dem Zeitpunkt glaubte ich noch, dass wir das Ganze würden retten können.
»Ich muss sie treffen. Ich muss mit ihr reden. Was gewesen ist, kann ich nicht mehr ändern, aber ich kann versuchen, es in Zukunft besser zu machen.«
Mamma ließ ihren Blick über den Vorplatz schweifen, über das spärliche, sonnenverbrannte Gras und die Reihe weiß getünchter Steine am Straßenrand. Sie hielt Ausschau nach etwas, das längst nicht mehr da war.
»Gut. Ich rufe sie an. Sage ihr, dass du hier bist. Und dass ich finde, sie sollte herkommen und mit dir sprechen.«
»Danke.« Mehr gab es nicht zu sagen.
»Jetzt richte ich dir ein Zimmer her.« Damit erhob sie sich etwas schwerfällig, was sie zwanzig Jahre älter wirken ließ, als sie war. »Der Junge wird bald aufwachen.«
Ich entschloss mich, eine Runde zu laufen, um die Verspannungen der langen Reise abzuschütteln. Zum Umziehen ging ich in das mir zugedachte Schlafzimmer, danach spähte ich noch einmal zu dem Jungen hinein. Er hatte sich umgedreht und lag jetzt mit dem
Weitere Kostenlose Bücher