Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
rechnerischen und räuberischen Energien, aber ich richtete sie eher auf meine Arbeit als auf erotische Eroberungen. Es war nicht so, dass ich eifersüchtig gewesen wäre auf jene, die sich für diesen Lebensstilentschieden hatten, weder entrüstete ich mich moralisch, noch verspürte ich den Drang, die Ehre des weiblichen Geschlechts zu verteidigen – ich konnte mir nur einfach nicht vorstellen, wieso jemand sich so ausschließlich der Verfolgung eines so kurzlebigen Glücks verschrieb.
Erst Angie hat mir die Augen geöffnet.
Ich musterte den jungen Mann. Zweifellos empfand er große Ehrfurcht vor Sanders und dessen Spielchen. Das sollte er ruhig – aber ich brauchte Informationen.
»Was waren das für Frauen? Kolleginnen? Kundinnen?«
Er schüttelte den Kopf. »Kolleginnen auf keinen Fall. Aber er kriegte an manchen Tagen zehn, zwölf Anrufe von Frauen. Frauen, die er in einem Club kennengelernt hatte, am Strand oder sonst wo.« Offenbar hatte er meine Nachfrage so interpretiert, dass ich seine Hochachtung teilte, denn er gab bereitwillig Auskunft. »Da waren zum Beispiel diese beiden Möchtegern-Hiltons bei Morgan. Die haben ihn ständig angerufen, und er konnte sie dann zu einem Dreier-Wochenende in seinem Timesharing-Apartment in Quogue überreden.«
Die Auskunft half mir nicht, besser zu verstehen, was Sanders geschäftlich getan oder im Sinn gehabt haben mochte, und die unterschwellige Heldenverehrung fing an, mich zu nerven.
»Genug davon. Zurück zu seiner Arbeit. Was ist in diesen Kisten?«
»Handelsprotokolle. Gewinn- und Verlustrechnungen. Bücher.«
Ich nickte. »Morgen früh muss ich das alles verstehen, capisce ? Ich habe von Bonds keine große Ahnung, Sie werden mir also vieles übersetzen müssen.«
»Kein Problem«, sagte er.
Da war ich mir nicht sicher. Die Börsenaufsicht würde inso einem Fall einen ganzen Haufen Buchhalter schicken, die sich mit der zeitlichen Vorgabe »solange es dauert« durch die Papiermassen wühlen sollten – ich hatte einen unerfahrenen Assistenten und nur zwei Wochen Zeit.
»Ich will eine Auflistung aller Kunden, mit denen Sanders zu tun hatte – und der jeweils zuständigen Vertriebsleute. Außerdem gehen Sie sämtliche Trades durch und markieren alles, was Ihnen ungewöhnlich erscheint – aus welchem Grund auch immer. Besonders große Abschlüsse, abweichende Produkte, neue Konten, verstehen Sie?«
»Kein Problem. Das meiste davon kann ich aus dem Computer ziehen. Ich kann die Daten mit den Unterlagen abgleichen.« Er blickte zu der pustenden Klimaanlage auf und versuchte, mit seinem Stuhl ein wenig beiseitezurücken. Das half nichts.
»Sehr gut. Mit dem Computer kann ich auch umgehen, aber viele Dinge weiß ich nicht, oder mir fehlt schlicht die Zeit dafür. Ich werde mich sehr auf Sie stützen müssen. Schauen Sie außerdem nach, ob Sie Abschlüsse finden, die nicht marktkonform aussehen. Weisen Sie mich auch darauf hin.«
»Das wird schon schwieriger. Ich weiß, was Sie wollen – Abschlüsse, bei denen der Preis nicht zu dem passt, was zu dem Zeitpunkt am Markt gültig war, richtig? Ich fürchte, dafür kenne ich mich in dem Bereich einfach nicht gut genug aus.«
»Ich dachte, Sie wüssten über Anleihen Bescheid?« Was sollte ich mit jemandem, der das nicht tat?
»Ja, das tue ich. Aber auf diese Art Preise abzugleichen, könnte schwierig werden.«
»Dann lassen Sie das vorerst. Wir befassen uns später damit.« Die Wände spielten Spielchen mit mir, rückten in mein Sichtfeld, wichen aber gleich wieder zurück, sobald ichsie direkt fixierte. Es wurde Zeit, dass ich ging. Ich zitterte schon – vor Kälte oder weil die Klaustrophobie mir zusetzte, oder sowohl als auch. Ich erhob mich. »Ich werde erwartet. Wir beide sehen uns morgen gegen acht Uhr dreißig hier. Bis morgen Abend muss ich dann alles wissen, was Sie wissen – und noch mehr.«
»Kein Problem.«
»Und unternehmen Sie etwas wegen dieses verdammten Gebläses!«
»Wird gemacht, Mr. Stafford.«
Jetzt erst ging es mir auf. »Wie heißen Sie überhaupt?«
»Frederick Krebs. Aber ich werde auch oft Spud genannt.«
»Spud – wie Kartoffel?«
»Das kommt aus der Studentenverbindung ...«, hob er an.
»Bitte«, stoppte ich ihn, »nicht jetzt. Das genügt.«
4
Ich ging nach Hause zu meinem Sohn. Es war sein erster Schultag, und so lange wie die neun Stunden, die ich an diesem Tag bei Weld verbracht hatte, waren wir die ganze Woche kein einziges Mal getrennt gewesen. Seinetwegen
Weitere Kostenlose Bücher