Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Weile machten mir die Wände zu schaffen. Der Raum war so klein, kleiner als die Zellen da oben im Norden. Wenn der IT-Mann typische Wall-Street-Arbeitszeiten hatte, verbrachte er mehr als ein Drittel seines Lebens in diesem Raum. Wäre ich gezwungen gewesen, so viele Stunden hier zu sitzen, ich hätte Spud bitten müssen, meinen Gürtel und meine Schnürsenkel an sich zu nehmen.
Ich beschloss, vor dem Mittagessen noch ein weiteres Gespräch zu führen.
»David Rhys Jones.« Er kündigte sich selbst an wie der Gastgeber einer Fernseh-Show. »Nennen Sie mich Davey, so halten es alle hier.«
Mr. Jones war Exilbrite mit allem, was dazugehörte: dem grell gestreiften Hemd mit Haifischkragen und Umschlagmanschetten, knöchelhohen Stiefeln mit Reißverschluss und einem Maßanzug, der, seit er das Schneideratelier verlassen hatte, noch kein einziges Mal gebügelt worden war. Er trug eine McDonald’s -Tüte bei sich und schüttelte mir die Hand mit einer Hingabe, als wollte er eine neu erworbene Fertigkeit demonstrieren. Erst dann setzte er sich. Und sah sich in dem kleinen Raum um, als handele es sich um den Ballsaal des Waldorf Astoria .
»Nett hier. Keine Kosten gespart, was?« Er lachte viel zu laut.
Sein Akzent war eine schräge Mischung aus BBC und East End. Ich hätte nicht sagen können, ob er der Oberklasse angehörte und den Proll gab, oder aber der Arbeiterklasse entstammte und höher hinauswollte. Mit Cockney-Sprachspielchen konnte ich ungefähr so viel anfangen wie mit dem Gangsta-Sprech, mit dem ich es im Gefängnis zu tun gehabt hatte. Mein erster Zellengenosse nahm es als Beleidigung, dass ich auf sein Angebot »a dime a lala, it be da butta« nicht reagierte. Zum Glück war er so freundlich, mir ein paarBrocken beizubringen, und so verstand ich, dass er versucht hatte, mir eine kleine Portion sehr gutes Marihuana zu verkaufen. Ich lehnte ab. Höflich.
»Brian Sanders«, fragte ich Jones. »Was können Sie mir über ihn erzählen?«
»Ach, ja. Traurig, sehr traurig.« Er machte ein langes Gesicht, um zu demonstrieren, was »traurig« bedeutete.
»Sie haben viele Geschäfte mit ihm abgewickelt.«
»Ein guter Kerl.« Damit öffnete er seine Fast-Food-Tüte und drapierte sein Mittagsmahl auf dem Tisch. Doppelter Cheeseburger. Fritten. Softdrink. »Hoffe, Sie haben nichts dagegen. Ist meine einzige Chance, was zwischen die Zähne zu kriegen.«
»Für welche Konten sind Sie zuständig?«
»Gauner aller Art.« Wieder lachte er. »Bei den meisten plätschert es so dahin. Die anderen sind Piraten.«
Wie viele seiner in den Staaten lebenden Landsleute schien er Spaß daran zu haben, den Briten zu geben. Sie tun das vermutlich aufgrund der fragwürdigen Annahme, dass amerikanische Frauen einen britischen Akzent immer sexy finden.
»Der Einzige von meinen Kunden, der mit Bri Geschäfte gemacht hat, war dieser kleine Hedgefonds – Arrowhead . Über die wollen Sie was hören, nehme ich an.«
Das wollte ich. Bislang war außer den fehlenden Arrowhead -Trades nichts Auffälliges zu entdecken gewesen.
»Dann fangen wir damit an.«
Er stopfte sich eine Handvoll Fritten in den Mund und schloss verzückt die Augen. »Ihr Yankees wisst gar nicht, wie gut ihr es habt. So gutes Essen für so wenig Geld, und das an jeder Straßenecke. Einfach großartig.«
Der ganze Raum roch nach dem Zeug. Ich wollte fertig werden und raus da, bevor mir schlecht wurde.
» Arrowhead ?«
»Richtig. Also. Arrowhead ist ein britischer Hedgefonds. Eingetragen auf Jersey – woraus Sie schließen können, dass vielleicht ein paar Steuertricks im Spiel sind.« Er grinste mich an, als hätten wir beide uns gegen den Fiskus verschworen. »Es kursieren Gerüchte – Gerüchte wohlgemerkt –, dass sie da mit Geld von so Künstlertypen arbeiten. Damien Hirst und solchen Leuten. Ich weiß es nicht. Andere Gerüchte wiederum besagen, dass es sich um amerikanisches Geld handelt, das, von den amerikanischen Steuerbehörden ungehindert, an einem Offshore-Finanzplatz vermehrt wird. Aber der Fonds ist geschlossen, es ist also völlig egal. Sie nehmen keine neuen Zeichner mehr an und bleiben unter dem berichtspflichtigen Limit; der Börsenaufsicht müssen sie also so gut wie keine Auskunft geben.«
Das alles hörte sich nach einer windigen Sache an. Und irgendein Genie hatte diesen Kunden ausgerechnet Davey anvertraut – einem interkulturellen Kasper, der etwas für Diebstahl übrigzuhaben schien.
»Sie arbeiten in der Regel mit kleinen
Weitere Kostenlose Bücher