Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
eine Ergänzung hinzufügen wollte, antwortete er.
»Okay.« Damit wandte er sich ab und ging ins Schlafzimmer, das jetzt seins war. Ein absolut normales amerikanisches Kind.
Spud sah völlig erschöpft aus. Ich selbst muss noch viel schlimmer ausgesehen haben, denn er war wenigstens jung, gut gewachsen und noch im Besitz all seiner Haare.
Es war gegen vier am Donnerstagnachmittag, und wir hatten uns – mit kurzen Kaffee- und Toilettenpausen – den ganzen Tag durch Handelsbelege gewühlt. Der Berg Computerausdrucke war von der einen Seite des Raumes auf die andere gewandert.
»Wir vergeuden unsere Zeit«, verkündete ich. Mein Nacken war dermaßen verspannt, dass es sich anfühlte, als bekäme ich einen Buckel.
Spud lehnte sich im Stuhl zurück. »Vielleicht finden wir heraus, dass es nichts zu finden gibt.«
Das glaubte ich nicht. »Ich brauche einen anderen Ansatz. Kontext. Ich muss mit diesen anderen Händlern reden.«
»Morgen haben Sie den ganzen Tag mit denen.«
Ich nickte. »Eins wüsste ich gern. Barilla hat mir gesagt, dass Sanders während seiner ersten beiden Jahre keine auffällig großen Gewinne gemacht hat. Anfang dieses Jahres sind seine Ergebnisse plötzlich explodiert. Auf einmal ist er ein Power-Typ. Und wieder ein halbes Jahr später ist er tot, und die Börsenaufsicht interessiert sich für den Fall. Warumhat nicht schon früher mal jemand genauer hingeschaut, was da eigentlich los ist?«
Spud schüttelte den Kopf. »Wenn Sie Geld machen, fragt niemand groß nach.«
»Ja und nein. Die Frage stellt sich doch ganz von selbst. Wenn Sie einen Junior-Trader vor der Nase haben, der meint, er hätte einen Goldesel entdeckt, dann fragen Sie doch automatisch: ›Wie machst du das?‹«
»Da war nichts Illegales. Alle wussten, was er tat.«
»Mann, Spud! Was halten Sie zurück?«
»Nichts! Ehrlich, da gibt es nichts zu erzählen. Anfang des Jahres hat er ein paar Tipps abgegeben. Die Macher im Handelsraum wussten über alles Bescheid. Er hat das mit ihnen abgesprochen.«
»Erzählen Sie!«
»Brian war der Meinung, dass der Markt zu lange zu ruhig war – dass eine gewaltige Konsolidierung bevorstand. Er hat zwei Dinge vorausgesehen: Erstens, dass die Volatiliät explodieren, dass es riesige Schwankungen geben würde. Also hat er Optionen gescheffelt. Mit dieser Strategie konnte er die größte Hebelwirkung erreichen. Allein mit diesem Trade hat er über fünf Millionen eingefahren.«
»Hat er damit nicht die Risikolimits überschritten?«
»Ja, aber wie gesagt, er hatte es abgesprochen. Sie haben ihn machen lassen.«
Risikolimits und ihre Einhaltung sind Sache der internen Kontrollabteilungen – darum hätte die Börsenaufsicht sich nicht geschert. »Und das zweite?«
»Er ging davon aus, dass der Markt bei Hauskrediten immer noch am wackligsten ist. Bei Hypotheken. Eigentlich sollte er damit nicht handeln, aber er konnte sich durchsetzen. Sie haben ihn für ein paar hundert Millionen Leerverkäufe tätigen lassen.«
»Und die Leute vom Risikomanagement sind nicht ausgeflippt?«
»Die Senior-Trader haben ihn unterstützt. Ich schätze, die hatten selbst so etwas am Laufen.«
Genau das Gleiche. Nichts Illegales. Da waren auf klassische Weise interne Regelungen gebeugt worden, aber auch das war nichts, worauf die Börsenpolizei sich gestürzt hätte.
»Bei diesem großen Optionshandel bin ich darauf gestoßen, dass Trades fehlen.«
»Sagen Sie das noch mal.«
»Die ganzen Abschlüsse, die irgendwo im System versteckt waren. Die Arrowhead -Trades.«
»Ja, natürlich. Und der große Abschluss, bei dem er Millionen umgesetzt hat, war einer von denen?«
»Die Abwicklung dann, ja. Arrowhead hat ihm die ganze Position abgenommen. Er war danach total überdreht. Ich glaube, er hatte selbst auch etwas Geld da reingesteckt. Die von Arrowhead haben ungefähr eine halbe Million kassiert.«
»Verdammt!« Hätte ich gewusst, welche Fragen ich stellen musste, hätte ich mir jede Menge Zeit und Kopfzerbrechen sparen können. »Dieser Kunde spielt schon eine besondere Rolle. Ich möchte, dass Sie alle Arrowhead -Trades raussuchen, Spud. Wir werden sie uns alle noch mal anschauen.«
»Nicht schon wieder!«
»Betrachten Sie es als Strafe dafür, dass Sie Dinge zurückgehalten haben.«
»Ich habe nichts zurückgehalten«, behauptete er leidenschaftslos. »Ich weiß nur nicht, warum das irgendwen interessieren sollte.«
»Ich auch nicht. Aber ich vermute, Barilla hat von all dem nichts gewusst.
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