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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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schüttelte mir höflich die Hand und winkte mich zu dem einzigen Besucherstuhl, den es in dem winzigen Raum gab.
    An der Wand hinter ihm hing ein blasses Aquarell, eine verschwommene ländliche Szene – fade, gesichtslose Massenware, gemalt, um ignoriert zu werden. Das einzig Persönliche in dem Raum war eine Reihe von gerahmten Fotos, die die Wand über dem Schreibtisch zierten. Durchweg Bildervon Jack Avery im sportlichen Wettkampf. Avery, wie er einen Strand heraufstürmte; stattlicher Bauch, gewaltige Schultern, Arme und Beine, alles wohlproportioniert und alles noch triefend nass. Avery, wie er auf dem Fahrrad eine Bergstraße hochstrampelte. Avery, wie er mit rotem Gesicht und völlig verschwitzt über eine Ziellinie lief, über der ein Banner mit der Aufschrift »Ironman World Championship Hawaii« gespannt war. Mein Respekt wuchs beträchtlich: Er war nicht einfach ein großer Rohling, er war ein großer Rohling und unglaublich in Form.
    »Danke, dass Sie raufgekommen sind. Ich möchte mich für mein gestriges Benehmen entschuldigen. Wie viele andere hier auch habe ich in letzter Zeit unter ziemlichem Druck gestanden. Das soll keine Rechtfertigung sein, eher eine Erklärung.«
    Er verstummte, langte unter seinen Schreibtisch und reichte mir gleich darauf eine Thomas-Pink-Tüte herüber. »Ich habe Ihnen wohl versehentlich das Hemd zerrissen. Bitte nehmen Sie diese als Ersatz.«
    Ich wusste nicht, wer ihm diese Rede geschrieben hatte – sie klang allerdings ziemlich nach Stockman –, aber er hatte sie gut einstudiert und trug sie beinahe fließend vor. Dennoch straften seine Augen ihn Lügen. Ich sah ihm an, dass er mich am liebsten immer noch windelweich geprügelt hätte.
    Sein Schreibtisch war der sauberste und ordentlichste der gesamten Abteilung. Vor ihm lagen ein Notizbuch und zwei gespitzte Bleistifte. Weiter nichts.
    Er nahm einen der Stifte zur Hand. »Ich möchte Sie bei Ihrer Untersuchung unterstützen. Sagen Sie mir, was Sie brauchen.«
    Offensichtlich war er ziemlich an die Kandare genommen worden. Ich warf einen Blick in die Tüte. Ein halbesDutzend weiße Anzughemden, ägyptische Baumwolle, Pinpoint-Qualität.
    »Danke. Das hätten Sie nicht tun müssen.« Ich wusste, dass er sehr wohl gemusst hatte.
    »Die machen gute Hemden.«
    Ich brauchte Informationen von ihm, aber ich schwor mir, dass ich, sollte er unvermittelt aufstehen oder wieder diesen Blick kriegen, sofort verschwinden würde.
    »Wen ich auch frage, alle sagen, Brian Sanders war ein guter Mann. Blitzsauber. Was glauben Sie, was hat die Aufmerksamkeit der Börsenaufsicht erregt? Mein bisheriges Ergebnis ist: nada.«
    »Ich habe nie zu den Fans gehört. Meiner Meinung nach haben alle Händler ziemliche Komplexe, und er war da nicht anders. Aber ich habe nachgeschaut. Wenn es da etwas gäbe, hätte ich es gefunden.«
    Hörte sich an, als hätte er mit seinen eigenen Komplexen zu kämpfen, aber das sollte mir egal sein.
    »Was suchen die denn Ihrer Erfahrung nach?«
    »Erstens: Insidergeschäfte. Das passt hier aber nicht, weil der Bursche mit Staatsanleihen gehandelt hat. Da hat es im vorigen Jahrhundert gerade mal zwei Fälle gegeben. Zweitens: Betrug. Veruntreuung von Fonds. Solche Sachen. Aber es gibt nicht den kleinsten Hinweis auf irgendetwas davon. In seinem Buch war alles zum aktuellen Marktpreis bewertet. Es gab keine Probleme mit Fälligkeiten von einzelnen Abschlüssen. Ich habe seine Trades zweimal durchgesehen. Nichts.«
    »Alle seine Trades?«
    Er bemühte sich, nicht zu zeigen, wie irritiert er war. »Selbstverständlich. Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Ach, kommen Sie, Jack. Die fehlenden Arrowhead -Trades? Sie waren derjenige, der versucht hat, diese Abschlüssezu verstecken, stimmt’s? Ein bisschen Grips können Sie mir ruhig zugestehen.«
    Er nickte. Einmal, so als tue es ihm weh.
    »Ich verstehe nur nicht, warum. Die Börsenaufsicht wäre doch auch darauf gestoßen. Und dann hätten sie ganz sicher geglaubt, dass sie an etwas Größerem dran sind.«
    Er wirkte verunsichert, betreten – verlegen. »Deswegen hat Bill mich so zusammengestaucht. Ich dachte, Sie hätten das alles mit angehört.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Kein Wort habe ich gehört. Warum also?« Und dann begriff ich schlagartig. »Meinetwegen haben Sie das gemacht, richtig? Sie wollten mich in die Irre führen.«
    »Ich dachte, wenn ich Sie mit dem Arrowhead -Quatsch auf den Holzweg führe, würden Sie Ihre Zeit damit verplempern und zu keinerlei

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