Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
herum.«
»Richtig.«
»Da hat Roger schon recht«, stimmte Vinny zu. »Im Schnitt fünf Tausender pro Woche. Eine Viertelmillion im Jahr – vielleicht. Mal angenommen, da machen ungefähr zwei Dutzend Typen mit. Also sind es maximal sechs Mille. Bei der Firma bleiben drei hängen – vor Kosten. Ich verstehe schon, wieso sich das für die Kleinganoven lohnt. Wennsie es geschickt anstellen, können sie diese Maschine ewig am Laufen halten. Sie fliegen nur auf, wenn sie einen Fehler machen oder zu gierig werden. Was ich nicht verstehe, ist, warum dieser Hedgefonds da mit drinhängen muss. Die machen höchstens eine oder zwei Millionen im Jahr – nach Kosten – und sowie sich einer verquatscht, sind sie raus aus dem Geschäft. Geschlossen. Haben die nichts anderes zu tun, als da auf so komplizierte Weise etwas abzugreifen?«
Roger drehte sich zu ihm um. »Wie kommt’s, dass du dich mit diesem Wertpapierscheiß so gut auskennst? Hast du Bücher darüber gelesen?«
»Ach, komm! Das ist doch nichts anderes als ein Jockey, der Geld dafür nimmt, dass er ein Pferd zurückhält.«
Vinny hatte recht. Und ich sah noch immer weitaus mehr offene Fragen als Antworten.
Roger schien noch nicht überzeugt. »Wegen so was wirft sich ein Typ vor den Zug? Wegen ein paar Tausendern? Das glaub ich nicht.«
»Er musste damit rechnen, erwischt zu werden«, versuchte ich eine Erklärung. »Das wäre für ihn selbst und seine Familie ziemlich blamabel gewesen.«
»Nein. Er wollte reinen Tisch machen. Das hast du selbst gesagt, oder nicht? Er war auf dem richtigen Weg.«
Ich verstand Rogers Zweifel. Lowell Barrington hatte einen schuldbewussten Eindruck gemacht, sicher, aber er hatte nicht wie jemand gewirkt, der vorhat, sich umzubringen. Vielmehr hatte er offenbar in dem Gefühl gelebt, sich nobel zu verhalten. Alle Spekulationen liefen ins Leere. Der Mann war tot.
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Roger. Der Typ hat sich einfach vor einen Zug geworfen.«
Vinny sah auf die Uhr. »Ich muss los. Hab ich alles bezahlt, Rollie?«
Der Barkeeper, der sich gerade, zusammen mit Ma John, über das Kreuzworträtsel beugte, antwortete: »Wir sind quitt.«
Vinny schob einen Zwanziger unter sein Glas und ging. Roger wartete noch, bis er aus der Tür war, dann raunte er mir vertraulich zu: »Und du willst immer noch nicht verraten, wer in der Sache drinsteckt? Komm schon. Nur ein Tipp! Das ist interessanter Tratsch.«
»Keine Chance.« Ich musste lachen. Roger konnte eine echte Nervensäge sein. »Das erfährst du, wenn’s in der Post steht.«
»Okay, dann hörst du jetzt mal mir zu, ich muss dir was sagen. Du hast Wanda Blumen geschickt? Neulich? Nachdem ihr zwei, na ja, du weißt schon.«
Der Rosenstrauß, den ich ihr ein paar Tage nach unserem Abend geschickt hatte.
»Ja?«
»Sie kann Blumen nicht leiden. Ich sag’s dir nur.«
»Okay.« Ich hatte nicht die geringste Neigung, über mein Liebesleben zu reden, weder über Erfolge noch über Fehlschläge. »Ich schicke ihr keine mehr.«
»Das hat nichts mit dir zu tun, weißt du. Es ist wegen ihrem Ex. Der Kerl war ein Idiot. Hat ihr immer Blumen geschenkt, wenn er es mit einer anderen getrieben hatte. Wenn er mit irgendeiner Ausrede spät nach Hause kam und Blumen anschleppte, wusste sie, was los war.«
»Danke für den Tipp. Wir essen heute Abend zusammen. Ich nehme den Jungen mit.«
»Ich weiß. Großer Schritt.«
Ich selbst hatte versucht, mich davon zu überzeugen, dass es das nicht war. Es war ein Abendessen, weiter nichts. Kein Test. Sollte es nicht gut laufen, würde davon nicht die Welt untergehen. Andererseits ...
»Es ist bloß ein Essen.«
»Ja, ja.« Er trank einen großen Schluck Cognac. »Kann ich dich mal was Persönliches fragen?«
Waren gute Ratschläge für mein Liebesleben nichts Persönliches? »Nur zu.«
»Du vermisst den ganzen Scheiß, oder? Ich meine das Handeln. Die Action. Den Markt. Das Oben-Sein. Das Geld. Das Ganze eben.«
»Das Geld nicht. Ich hatte mal reichlich davon, jetzt habe ich nichts. Mit mehr Geld wäre das Leben bequemer, sicher, aber ab einem gewissen Punkt ist mehr oder weniger Geld zu haben nur noch eine sportliche Frage. Ob du im Rennen bleibst oder nicht. Wenn es dir nur um das Geld selbst geht, solltest du in dieses Geschäft gar nicht erst einsteigen.«
»Ich schätze, mit dieser Auffassung stehst du ziemlich alleine da, mein Freund. An der Wall Street ist das Geld. Deshalb gehen die Leute da hin.«
Ich lachte.
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