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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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und durstig das Haus.
    Dr. Markham sah den rechten Moment gekommen, um sich zu verabschieden. Audrey bot ihm halbherzig an, über Nacht zu bleiben, doch er lehnte dankend ab. Er wolle lieber noch zurück nach Nyeri reiten. Er schien mit der afrikanischen Nacht ebenso wenig vertraut zu sein wie mit den Krankheiten, die hier herrschten.
    «Was war das denn für ein komischer Kauz!» Steve fläzte sich lachend auf das Sofa und pfiff nach Kamau, der ihm Brandy bringen sollte. Verärgert sah Audrey, wie ihr Hausboy gehorchte.
    «Dr. Markham hat nach Chris gesehen», sagte sie nur.
    «Geht es dem Kleinen nicht wieder besser?» Fanny hockte sich zu Audrey auf die Sofalehne. Ihre Wangen waren gerötet.
    Audrey wollte gar nicht wissen, was bei diesem Ausflug alles passiert war. Sie kannte Fanny – passiert war bestimmt irgendwas.
    «Er hat Gelbfieber», sagte sie leise.
    Das Lachen wurde aus den fröhlichen Gesichtern gewischt.
    Dan sprach zuerst. «Das ist schlimm.» Er nahm ein Glas Brandy von dem Tablett, das Kamau herumreichte. Steve, der vorhin noch am lautesten geschrien hatte, wehrte dankend ab, und Babette stand auf und setzte sich zu Audrey auf die freie Sessellehne. Sie streichelte unbeholfen Audreys Rücken.
    «Entschuldigt mich bitte. Ich möchte nach ihm sehen.»
    Sie verließ fluchtartig das Wohnzimmer. Zurück blieb betretenes Schweigen.
    Wakiuru schüttelte stumm den Kopf, als Audrey in das Kinderzimmer kam. Chris lag inzwischen nur noch blass und apathisch im Bett, und als sie sich neben das Bett kniete, flatterten nur kurz seine Lider.
    «Mein Liebling», flüsterte sie.
    Die Angst um sein Leben schnürte ihr die Luft ab.
    Sie bemerkte nicht, dass Fanny das Zimmer betrat. Die Arme, die um ihren Oberkörper lagen, tröstend und fest, nahm sie kaum wahr.
    «Er stirbt», flüsterte sie irgendwann.
    «Ich weiß», flüsterte eine Stimme hinter ihr.
    Sie war nicht allein.
    Nie war sie so einsam gewesen.
    Die Memsahib hatte ihn gebeten, nach Süden zu gehen, dorthin, wo der Bwana Winston irgendwo war. Mehr wusste Kinyua nicht, aber er hatte nur genickt, das wenige zusammengepackt, was er für so eine Reise brauchte, und sich von Mukami verabschiedet.
    Er war ein guter Läufer und schnell unterwegs, doch das letzte Mal, dass er sich so weit von seinem Dorf entfernt hatte, war viele Jahre her, und er hatte jeden Einzelnen seiner Familie vermisst. Ein Kikuyu war nicht geschaffen für das einsame Leben.
    Er lief frühmorgens los und machte nur in der größten Mittagshitze eine kurze Rast, um etwas zu essen. Schon kurz darauf war er wieder unterwegs. Teils auf Straßen, die die Wawingereza angelegt hatten, teils auf den Schienen der Ugandabahn. So arbeitete er sich vor Richtung Süden, bis es weder Straßen noch Schienen gab, sondern nur die Savanne und ihn.
    Es war die Zeit des Jahres, zu der alles blühte und gedieh. Er durchquerte riesige Felder der Wandelblume, die sich teppichartig ausbreitete und ihm bis an die Hüften reichte. Auf einem Termitenhügel entdeckte er eine Gabelracke. Der prächtige blaue Vogel lauerte dort auf Insekten.
    Seine Schritte führten ihn durch hügeliges Gelände. Wenn er rastete, ließ er sich nur selten Zeit genug, das wenige Essen herunterzuschlingen, das Mukami ihm in die kleine Tasche gepackt hatte. Er trank an kleinen Tümpeln, und nachts lief er, bis ihm die Muskeln schmerzten, ehe er sich für die dunkelsten Stunden in seinen Umhang wickelte und versuchte, ein bisschen Schlaf zu bekommen.
    Diese einsamen Stunden bescherten ihm erstaunlich viel Zeit zum Nachdenken, und er nutzte sie.
    Er dachte an die Memsahib. Sie war außer sich vor Schmerz und Trauer. Er hatte nie begreifen können, warum die Weißen so viel Aufhebens um ihre Kinder machten. Überall wurden sie von Kindermädchen überwacht, und dass man sie allein irgendwo hingehen ließ, war absolut ausgeschlossen. Die ständige Angst, ein Löwe könne sich das Kind holen.
    Dabei trauten sich die Löwen nur selten in die Nähe menschlicher Behausungen. In Zeiten großer Dürre vielleicht, oder in den Jahren, in denen die großen Zebra- und Gnuherden zu spät nach Norden zogen und die Löwen hungern mussten. Nur dann wurden sie gesichtet, und meistens spürten die Kikuyu das, bevor es passierte. Dann passten sie natürlich auf, denn Kinder waren die Zukunft eines Stammes.
    Oder das Gelbfieber. Der kleine Junge der Memsahib hatte seit seiner Geburt immer unter einem Netz geschlafen, das ihn angeblich vor Mückenstichen

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