Am Fuß des träumenden Berges
haben wir es nicht mehr geschafft, an deinen Leuten vorbeizukommen. Wir sitzen in der Falle. Kaum Vorräte mehr.»
«Können deine Männer nicht jagen?»
Benjamin lächelte. «Das sind einfache Burschen. Sind eher Schlägereien gewohnt, als mit einem Gewehr umzugehen. Glaub mir, hätte ich nicht Angst, dass sie sich gegenseitig abknallen … Außerdem haben wir bald keine Munition mehr.»
«Ich hab Munition.» Matthew hatte keine Lust zu hungern. «Wir beide könnten auf Jagd gehen. Frisches Fleisch könnte deine Truppe besänftigen.»
Benjamin stocherte mit einem Stock in der Glut. Funken stiegen zum Himmel auf. «Du weißt, dass ich mir deine Munition einfach nehmen kann. Du bist unser Gefangener.»
Matthew zögerte. «Wir waren auch mal … na ja, vielleicht sogar Freunde.»
Der Blick, mit dem Benjamin ihn maß, war fast bedauernd. «Wir können keine Freunde sein», sagte er leise.
Wegen Audrey.
Er brauchte es nicht auszusprechen.
Auf der gemeinsamen Safari ins Masai Mara hatten sie nie über Audrey gesprochen. Sie war Matthews Frau, und damit erübrigte sich jedes Gespräch über sie.
«Also? Was wird jetzt aus mir?»
Benjamin schaute sich um. Seine Männer saßen am anderen Lagerfeuer. Ihr raues Lachen und die dunklen Stimmen drangen von dort herüber.
«Morgen gehen wir auf die Jagd. Aber ich warne dich. Wenn du auch nur versuchst, auf einen von uns zu schießen, haben meine Männer Befehl, dich zu erschießen. Wir sind zu viele, du hättest keine Chance.»
Das wusste Matthew. «Ich gebe dir mein Wort.»
Benjamin nicket. Aber er sah nicht so aus, als bedeute Matthews Wort hier allzu viel.
«Und dann bringst du uns nach Süden zur Grenze. Irgendwo muss sich Lettow-Vorbeck ja herumtreiben. Wir finden ihn, und ich setze mich bei ihm für dich ein.»
Matthew seufzte. «Wir wissen beide, dass dein Oberstleutnant den Teufel tun wird, mich auf freien Fuß zu setzen.»
«Wer weiß …» Benjamin wiegte den Kopf. «Er ist ein erstaunlicher Mann. Du würdest Gefallen an ihm finden.»
«Ich habe mich genauso verirrt wie ihr», log er. «Wie soll ich schaffen, was dir seit Wochen nicht gelingt?»
«Du verirrst dich nicht», erwiderte Benjamin scharf. «Verkauf mich nicht für dumm, Matthew. Ich war mit dir auf Safari. Selbst aus den Spuren eines Löwen könntest du noch den richtigen Weg ablesen.»
Damit stand er auf und ließ Matthew allein.
Wenigstens hatte er eine dünne Decke. Mühsam wickelte er sich darin ein. Einer von Benjamins Männern kam zu ihm herüber, einen langen Strick zwischen den Händen. Matthew streckte schicksalsergeben die Hände aus und ließ sich fesseln.
Ein Gefangener war er also, und wenn er Pech hatte, würde sich daran bis zum Ende des Krieges nichts ändern.
Am nächsten Tag gingen sie tatsächlich auf die Jagd, und sie schossen einen Büffel und zwei Antilopen, die sie am Lagerfeuer brieten. Die Männer waren völlig berauscht von diesem Festmahl, und am Abend feierten sie so ausgelassen, als hätten sie nicht drei Wildtiere abgeschlachtet, sondern die ganze britische Armee.
Erst am darauffolgenden Tag zogen sie weiter Richtung Süden. Matthew führte den kleinen Spähtrupp nah an die Grenze nach Tanganjika. Dort machten sie wieder Rast. Die Männer waren ausgesprochen guter Laune. Sie hatten Essen, einen britischen Kriegsgefangenen und waren auf dem Weg zurück auf sicheres Terrain.
An diesem Abend blieb Matthew nicht allein an seinem kleinen Lagerfeuer. Benjamin tauchte wieder aus den Schatten auf, und wie schon vor zwei Tagen schwieg er lange, als müsste er sich die Worte zurechtlegen.
«Könnte sein, dass ich dich laufen lasse», sagte er schließlich.
«Dein Oberstleutnant wäre darüber nicht sehr glücklich.»
Benjamin zuckte mit den Schultern. «Ich denke nicht an Lettow-Vorbeck.»
Sondern?, wollte Matthew fragen, verkniff es sich aber. Er wartete.
«Als Audrey und ich unsere Verlobung lösten, nein …» Er schüttelte den Kopf. «Als ich die Verlobung gelöst habe. So ist es richtig. Da habe ich mir geschworen, dass sich unsere Wege nie wieder kreuzen sollten. Darum ging ich nach Afrika, als sich mir die Möglichkeit bot. Ich hatte geglaubt, Europa sei zu eng für uns beide, dabei war sie längst hier. Und ich habe gesehen, wie die Ereignisse sie verändert haben, und ich hatte plötzlich Mitleid mit ihr. Ich habe versucht, ihr ein Freund zu sein. Oder dir. Man kann mir also nicht vorwerfen, ich hätte es nicht versucht.»
«Der Krieg …»,
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