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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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kam sie nicht.
    «Warum hast du dich nicht gemeldet?», fragte sie. «Ich hätte mich doch um dich gekümmert. Und um dein Kind», fügte sie hinzu.
    Darüber wusste sie also auch Bescheid. Wundern durfte ihn das nicht. Renata wusste immer mehr, als man ihr zutraute.
    «Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert.» Sie wollte den Arm um ihn legen, aber Matthew machte sich los, ehe sie ihn überhaupt berührte. Er sprang auf und trat ans Fenster. Bloß so viel Abstand wie möglich zwischen sich und diese Frau bringen.
    Er wollte ihrem Zauber nicht erliegen, der vor allem erotischer Natur war. Damit fing sie die Männer immer ein.
    «Aber Matthew … Lass mich für dich da sein. Ich verspreche dir, mit mir passiert dir nicht, was sie dir angetan hat.»
    Sie trat neben ihn. Er war zwischen ihr und dem Fenster eingekeilt, und er spürte ihren Atem, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte. «Ich habe dich gewarnt», flüsterte sie ihm ins Ohr. «Ich habe dir gesagt, dass du mit ihr nicht glücklich wirst. Weißt du noch?»
    Wie konnte er das vergessen? Jener Abend im Haus des Gouverneurs war ihm noch deutlich in Erinnerung.
    «Es ist nur kompliziert», behauptete er. «Ich … wir haben unseren Sohn verloren. Das Gelbfieber.»
    «Und daran gibst du ihr die Schuld.»
    In ihm regte sich Widerstand. Er wollte nicht, dass sie sich einmischte. Sie sollte nicht in seinem Leben herumwühlen. Sie gehörte nicht hierher.
    «Verschwinde, Renata. Du hast in meinem Leben nichts zu suchen.»
    «Bist du dir wirklich sicher?» Sie rückte näher, ihr Busen presste sich gegen seinen Arm, und es fiel ihm schwer, nicht auf ihr apartes Gesicht zu schauen.
    Ihr hatten all die Abweisungen, die Grausamkeiten, die sie verübt hatte – all das, was sie ausmachte und was ihn so abschreckte –, nichts anhaben können. Immer noch hatte sie das Gesicht eines dunklen Porzellanpüppchens, einen winzigen Mund, leicht schräge Augen. Sie versprühte so viel Leben, dass er ganz kurz nur daran glauben wollte, dass mit ihr alles gut werden konnte.
    «Du könntest den Jungen zu ihr zurückschicken, und dann verschwinden wir einfach», wisperte sie. «Nur du und ich. Bis ans Ende aller Zeiten.»
    Er starrte sie an. Dann begriff er, was sie meinte. «Du willst, dass ich Thomas zurücklasse?»
    «Schick ihn doch zu ihr. Ich bin sicher, sie wird sich freuen.» Sie bewegte sich nur ganz leicht und rieb sich an ihm. Er schloss die Augen. Nein, er war nicht vor ihren Reizen gefeit, das waren wohl die wenigsten Männer. Aber was sie da von ihm verlangte …
    «Das kann ich nicht.»
    «Dann schicken wir ihn in ein Internat. Ich bezahle alles! Du weißt doch, Geld ist kein Problem.»
    Er lachte auf. «Ein Internat? Du kannst doch einen Einjährigen nicht in ein Internat schicken!»
    Sie war noch immer genauso egoistisch und gnadenlos, wie er sie in Erinnerung hatte – und fast hätte sie ihn so weit gehabt. Aber jetzt wusste er wieder, warum er ihr immer widerstanden hatte.
    Er packte sie an den Oberarmen und schob sie entschlossen beiseite. «Verschwinde», knurrte er.
    «Ist es das Geld? Willst du von mir nichts annehmen? Soll ich es der armen Mrs. Johansson auch wieder wegnehmen? Der habe ich nämlich die letzten Wochen bezahlt, die du ihr schuldig geblieben bist. Oder was hast du geglaubt, warum sie dich damit nicht mehr belästigt hat?»
    Er hatte genug gehört. Entschlossen marschierte Matthew zur Tür und riss sie auf. «Geh. Lieber bin ich unglücklich mit meiner Frau als mit dir kaltem Biest auch nur einen Tag lang glücklich.»
    Er sah, dass seine Worte sie trafen. Es schenkte ihm keine Genugtuung – sie hatte ihm nichts getan. Sie handelte nur so, wie sie selbst es für richtig hielt. Sie wollte immer alles – so sollte ihre Welt funktionieren.
    Aber die Welt war ungerecht. Jeden Tag starben Kinder an irgendwelchen Krankheiten, und jeden Tag machten die Menschen Fehler und verletzten jene, die sie liebten. Er liebte Audrey, er hatte sie geliebt, seit sie vor ihm gestanden und der Fischhändler mit zu viel Schwung die stinkenden Fischdärme auf ihr Kleid und die Schuhe geworfen hatte. Damals hatte sie Haltung bewahrt. Sie tat es auch heute noch.
    Er liebte sie, und daran würde sich niemals etwas ändern. Sie hatte ihm seine Kinder geschenkt, und er war ihr dankbar, weil sie gemeinsam ihren Weg gegangen waren. Dass sich ihre Wege nun trennten, musste er wohl hinnehmen. Aber das war kein Grund, sich der nächstbesten Frau in die Arme zu

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