Am Fuß des träumenden Berges
Verlangen eine Stimme zu verleihen.
Matthew zog sich in aller Hast aus und kam zu ihr. Er war über ihr. Sie genoss es, von ihm umarmt zu werden. Ehe er jedoch in sie eindrang, hielt er inne.
«Und es wird ihm wirklich nicht schaden?» Seine Hand glitt über ihren gewölbten Bauch. «Ich habe Angst, es zu zerquetschen, wenn ich mich auf dich lege.»
Sie schüttelte den Kopf. Herrje, komm her!, dachte sie verzweifelt. Ich will dich so sehr, Matthew …
«Hast du keine Angst?»
Wieder schüttelte sie den Kopf.
«Wir können es anders machen», flüsterte sie. So kurz vor dem Ziel wollte sie nicht scheitern.
Statt auf seine Antwort zu warten, drehte sie sich auf die Seite. Er verstand, legte sich hinter sie wie ein zweiter Löffel in der Schublade. Sie spürte ihn in sich eindringen und sog scharf die Luft ein.
Es war so lange her.
Seine Hände umfassten ihre Brüste, und er ruhte tief in ihr. Sie schloss die Augen.
Dies hier ist richtig, dachte sie. Es ist richtig und gut und alles, was ich will.
Trotzdem dachte sie, während er sich in ihr bewegte, an Benjamin.
Und sie schämte sich zutiefst.
Am vierten Januar kehrten sie nach The Brashy zurück. Der Hochnebel hing zwischen den Teesträuchern, und die Pflückerinnnen zogen bereits vor Anbruch des Tages hinaus auf die Felder. Ihre Gesänge drangen bis ins Haus und erfüllten es mit Harmonie.
Audrey nahm ihre täglichen Aufgaben wieder auf. Sie spazierte über die Farm, redete mit den Pflückerinnen und hörte sich ihre Sorgen und Nöte an. Wenn sie etwas tun konnte, tat sie das auch. Manchmal begleitete Fanny sie, manchmal auch Kinyua.
«Was wird nur aus mir?», fragte Fanny sie eines Morgens. Sie saßen am Frühstückstisch, und Audrey hatte gerade überlegt, ob sie sich ein drittes warmes Haferbrötchen mit Marmelade gönnen sollte oder nicht.
«Hm?», machte sie und genehmigte sich das Brötchen. Die Butter schmolz darauf, und sie gab einen großzügigen Klecks Orangenmarmelade dazu.
«Was aus mir wird. Ich kann doch nicht ewig bei euch bleiben.»
Darüber hatte Audrey schon lange nicht mehr nachgedacht. Fanny war Teil ihrer Familie geworden, und sie gehörte zu The Brashy wie Kinyua oder die Pflückerinnen, wie die Wolken am Mount Kenya und wie die rote Erde, die nach jedem Regen so schwer und so süß roch, als sei sie frisch gewaschen.
«Warum nicht?», fragte Audrey.
«Irgendwann … Ich muss doch irgendwann auch heiraten.»
Fanny schenkte ihnen frischen Tee nach. Sie schwieg lange.
Audrey verstand Fanny. Wäre Matthew nicht gewesen, säße sie jetzt noch bei ihren Eltern, oder sie müsste bei irgendwelchen fremden Leuten als Gouvernante arbeiten. Fanny tat im Grunde genau das. Sie hatten irgendwann eine stillschweigende Vereinbarung getroffen, und Audrey wusste, dass Matthew ihr jeden Monat einen Umschlag mit Silberrupien zusteckte. Sie hatte nicht das Gefühl, sich damit die Freundin zu erkaufen, doch sie verstand sehr wohl, was Fanny Kummer bereitete.
«Gibt es denn da jemanden?», fragte sie vorsichtig.
Fannys Lächeln war sehr traurig. «Du weißt, wen es da gegeben hätte.»
Benedict Tuttlington. Der Mann, über den Fanny nicht mehr sprach.
Der ihr das Herz gebrochen hatte.
«Ja, ich weiß», sagte Audrey sanft. «Aber es gibt viele alleinstehende Männer in der Kolonie. Jeder wäre froh, dich zur Frau zu haben.»
«Was denn, soll ich mich dem alten Waters an den Hals werfen? Über ihn erzählt man sich, dass er Ziegen hält, und zwar nicht wegen der Milch.»
Audrey wurde rot. Seit Fanny aus Nairobi zurück war, hatte sie manchmal grobe, geradezu grausame Umgangsformen, und sie nahm kein Blatt vor den Mund.
«Aber was ist mit Wim Corneli?», schlug sie vor.
«Bist du verrückt, ein holländischer Krämer! Da könnte ich mir auch gleich Benjamin von Hardeberg angeln, der immer noch in Nairobi herumschwänzelt und die Damen bei den Teegesellschaften ganz kribbelig macht.»
Audrey wurde plötzlich kalt. «Ich dachte, er sei längst nach Tanganjika abgereist.»
«Das dachte ich auch. Babette schrieb mir, er sei noch da. Das gibt natürlich Gerede.»
Audrey konnte es sich vorstellen. Aber sie hatte keine Lust, mit Fanny über Benjamin zu reden. Zu ihrem Glück kam gerade Kinyua den Kiesweg entlanggeschlendert. «Entschuldige mich, ich will sehen, was Kinyua will.»
Sie legte die Serviette auf ihren Teller, stand auf und ging ihm entgegen.
Auch jetzt noch weigerte sich Kinyua, das Haus zu betreten, und wenn es sich
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