Am Fuß des träumenden Berges
gestanden?
Audrey ging rasch zu ihm und hob ihn hoch. «Schau doch nur, Chris. Dein Papa ist zurück.»
Chris barg den Kopf an ihrer Schulter und betrachtete Matthew misstrauisch.
«Hallo, kleiner Mann. Du bist groß geworden.»
«Ich bin fast vier, und ich bin nicht klein.»
Matthew lachte leise. «Natürlich nicht. Darf ich dich auf den Arm nehmen, solange deine Mama dir was zu trinken holt?»
Zu Audreys Erleichterung nickte Chris. Sie gab das Kind an Matthew. Gemeinsam gingen sie in die Küche.
«Es ist noch nicht vorbei», sagte er, während Audrey aus einer Kanne Milch schöpfte und das Herdfeuer schürte, um die Milch in einem Topf zu wärmen. Matthew saß derweil auf einem Hocker und wiegte Chris, dem die Augen schon fast wieder zufielen. «Ich bin nur heimgekommen, um zu sehen, ob alles gut ist.»
«Da war Post für dich im Muthaigaclub, aber ich nehme an, die hast du schon gesehen.»
«Ja», sagte er nur. Kein Wort davon, dass die Briefe von seiner Schwester kamen oder was darin stand. «Ich glaube, unser Sohn braucht nichts mehr zu trinken.»
Tatsächlich war Chris auf seinem Schoß eingeschlafen.
«Ich habe mir vor ein paar Wochen große Sorgen um ihn gemacht», sagte sie leise. Sie zog den Topf von der Herdplatte und erstickte das Feuer. «Im Kikuyudorf grassierte Gelbfieber, und eine Mücke hatte ihn gestochen.»
Sie sagte es beiläufig, als sei es eine Sorge von vielen. Sie wollte nicht zugeben, dass sie tagelang Todesangst um Chris ausgestanden hatte. Und dass sie seither kaum mehr schlief.
«Nicht jeder Mückenstich führt zu Gelbfieber.»
«Das weiß ich», erwiderte sie empfindlich. «Aber ich hatte nun mal Angst um ihn.»
«Es ist ja nichts passiert.»
Sie flüsterten nur noch, um den Jungen nicht aufzuwecken. Gemeinsam brachten sie Chris zu Bett und gingen anschließend ins Schlafzimmer. Schweigend zog Matthew sich aus, und sie legten sich ins Bett. Er hielt sie im Arm, und zum ersten Mal seit Monaten schlief sie ein und wachte erst am nächsten Morgen wieder auf.
Am Morgen weckte Matthew sie ganz sanft, und sie schliefen noch vor dem Aufstehen ein zweites Mal miteinander. Sie kam sich so unglaublich verdorben vor, weil sie diese Stunden mit ihm mehr genoss als alles andere.
«Wie lange kannst du bleiben?», flüsterte sie danach.
«Höchstens drei Tage. Länger nicht.» Matthew küsste sie ein letztes Mal und stieg aus dem Bett. Er zog sich eine saubere Hose an und wusch sich über der Waschschüssel den nackten Oberkörper. Dann rasierte er den Bart ab und bat Audrey, ihm die Haare zu schneiden.
«Möglichst kurz», bat er. «Ich habe das Gefühl, es juckt mich überall. Flöhe und Läuse, das sind unsere Gefährten in diesem Feldlager», seufzte er und kratzte sich. «Irgendwie krabbelt es ständig.»
«In meinem Haus krabbelt nur der Jüngste», erwiderte sie lächelnd, holte die Schere und schnitt ihm die filzige Mähne. Jetzt sah er wieder aus wie Matthew, der Teeplantagenbesitzer, Vater und Ehemann. Nicht wie Matthew, der verwahrloste Soldat.
Als Kinyua an diesem Morgen kam, bemerkte sie sein Zögern. Er betrat die Veranda nicht und verabschiedete sich hastig, sobald es angemessen schien. Audrey fühlte sich schlecht, ohne genau zu wissen, warum.
Kinyua und sie teilten ein Leben, an dem Matthew keinen Anteil mehr hatte. Sie hatten in den letzten neun Monaten zu einem stummen Einverständnis gefunden. Wenn einer von ihnen eine Idee hatte, kam der andere meist gleichzeitig darauf, und sie überraschten einander immer wieder damit. Seine ruhige, unaufgeregte Art nahm ihr die Angst vor der großen Aufgabe, die Plantage zu führen. Als Matthew sie bat, die Rechnungsbücher zu holen, tat sie das gerne. Sie wusste, es stand recht gut um sie. Wenn jetzt noch der Krieg zu Ende ging, konnten sie den Tee nach Europa verschiffen und gutes Geld verdienen.
Sie saßen dicht beisammen auf dem Sofa im Wohnzimmer. Die beiden Jungen spielten auf dem alten Teppich, und Kamau brachte frischen Tee – denn wenn sie etwas im Überfluss hatten, war es Tee. Audrey hatte die Schuhe abgestreift und die Knie angezogen, und während Matthew im Geschäftsbuch blätterte, schmiegte sie sich an ihn.
«Das sieht gut aus», stellte er schließlich fest. Er klappte das große Kontenbuch zu. Sie schaute ihn verwundert von der Seite an. Er klang so … überrascht.
«Wir könnten mehr machen», sagte sie. «Wenn der Krieg nicht wäre.»
«Ich habe doch gesagt, es sieht gut aus.» Matthew beugte
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