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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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hatte, um ihnen zusätzlichen Auftrieb zu geben. Eines nach dem anderen ließ er sie ins dunkle Wasser eines Tümpels am Fuß eines Felsblocks fallen, der den Bach teilte. Kurze Zeit tanzten die drei Schiffchen auf dem Wasser, dann nahm der Bach sie mit hinab ins Tal.
    Weiter unten, auf der Höhe seines Hauses, gab es ein behelfsmäßiges Sammelbecken. In den nächsten Tagen wollte er nach den Flößen sehen - das war ein altes, lieb gewordenes Laster: Die Zahl der Schiffchen, die Untiefen und Strudel überwunden und es bis hierher geschafft hatten, nahm er als Orakel. Was ist schon dabei, sagte er sich, andere sammeln Briefmarken oder spielen Golf. Ich werfe Flöße ins Wasser.
    Auf dem Heimweg stellte er fest, dass er spät dran war. Um achtzehn Uhr hatte er eine Verabredung im Büro mit einem potenziellen Klienten - auch wenn er jetzt dem Verschwinden seines Vaters nachgehen wollte, musste er doch an seinen Lebensunterhalt denken. Nach der Besprechung wollte er Francesca abholen und mit ihr essen gehen. Um abzukürzen, wich er vom Weg ab und sprang im Zickzack zwischen den froststarren Bäumen bergab.
     
    Leicht außer Atem stieg Francesca Besson aus dem Zug. Sie hatte, wie immer, zu viel Gepäck dabei. Wenn sie nach Mailand fuhr, begleitete sie stets ein ganzer Sack Bücher, viel mehr, als sie lesen konnte. Normalerweise stieg sie in Bellinzona in den Zug nach Locarno um, diesmal aber brach sie die Fahrt in Lugano ab, um sich mit Contini zu treffen.
    Er erwartete sie an der Abfahrtsstation der Standseilbahn. Es war neun Uhr abends und der Bahnhof nicht sehr voll, so dass ihn Francesca schon von weitem auf sich zukommen sah. Er trug, wie meistens, seinen Mantel mit Pelzkragen und auf dem Kopf einen dunklen Filzhut, dessen Krempe seine Augen verdeckte.
    Sie fiel ihm um den Hals und nahm ihm den Hut ab, bevor sie ihn küsste.
    »Wie geht’s?«, fragte sie.
    »Gut.« Er erwiderte ihre Umarmung. »Und dir? Hast du’s geschafft, deinen Prof einzuwickeln?«
    »Mehr oder weniger. Trotzdem hat er mir noch ein paar Bücher genannt, die ich unbedingt lesen soll.« Francesca lächelte. »Ich hab sie mitgebracht …«
    »Wie viele Kilo sind das denn schon wieder?«, stöhnte er, als er den Koffer aufhob. »Den tun wir ins Schließfach, und dann gehen wir was essen.«
    Sie bestiegen die Seilbahn. Zwei junge Mädchen kamen herbeigerannt und stürmten die Kabine. Eine Dame schüttelte missbilligend den Kopf und blickte, in ihrer Empörung Zustimmung heischend, zu Francesca hinüber. Die aber lächelte kalt an ihr vorbei. Was wollte die Alte? Den Jahren nach war sie, Francesca, den beiden Mädchen weitaus näher, auch wenn …
    »Gestatten!«
    Francesca schrak zusammen. Ein Mann, der geschätzte hundertfünfzig Kilo wiegen mochte, half einem Greis, sich einen Weg durch die Kabine zu bahnen. Francesca wich zur Seite. Schnaufend und entschuldigende Blicke in die Runde werfend, lehnte der Dicke sich an die Wand. Der Greis kam schließlich neben den jungen Mädchen zu sitzen und schien mit Interesse einer Diskussion über die Frage zu lauschen, wer geiler sei, Adam Brody von O. C. oder dieser andere Schauspieler aus dem Film, in dem sie am Ende stirbt …
    Die Bahn setzte sich in Bewegung. Francesca lächelte. Ein Film, in dem sie am Ende stirbt: So was nennt man eine aussagefähige Zusammenfassung.
    »Alles klar, oder?«, sagte sie zu Contini, denn sie war sicher, dass er zugehört hatte; Contini belauschte immer die Leute, ob auf der Straße oder in Wartesälen. Vielleicht eine Berufskrankheit. Er nickte.
    Die Bahn hielt auf der Piazza Cioccaro, und die Passagiere - die beiden Mädchen, der Alte, der Dicke - gingen auseinander, jeder seinem Schicksal entgegen. Wie ein altes Ehepaar beim Abendspaziergang schlenderten Francesca und Contini durch die Via Pessina und sahen sich Schaufenster an. Aber Francesca spürte seine Anspannung.
    »War’s stressig in der letzten Zeit?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete er wortkarg.
    Nach einer Weile fügte er, entgegenkommender, hinzu: »Ich habe über das Verschwinden meines Vaters nachgedacht.«
    »Ach ja?«, murmelte Francesca überrascht, hielt sich sonst aber zurück. Wenn er sich schon einmal öffnete, wollte sie ihn auf keinen Fall durch Bemerkungen irritieren.
    »Da muss irgendwas sein«, sprach er weiter, mehr zu sich. »Es muss noch irgendwo eine Spur geben. Damals hab ich noch nichts kapiert, aber jetzt - ich kann die Sache noch einmal aufrollen.«
    »Hast du denn irgendwelche

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