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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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angefasst, um festzustellen, ob … Also, ich habe festgestellt, dass er tot ist, und dann hab ich angerufen. Das war doch richtig, oder?«
    »Mhm.«
    »Und dann bin ich natürlich nicht noch mal runtergestiegen, Sie wissen ja … Sagen Sie, ist er eines natürlichen Todes …?«
    »Das wissen wir noch nicht.«
    »Unser Bürgermeister war völlig gesund! Hatte ein Herz wie ein Junger! … Aber es stimmt schon, man weiß nie, wann einem die Stunde schlägt.«
    »Nein«, sagte De Marchi, »wenn es passiert, passiert es. Danke, Signor Baggi.«
    »Ist doch meine Pflicht!«
    »Wenn Sie noch einen Moment bleiben, wird jemand Ihre Aussage aufnehmen.«
    »Ich rühr mich nicht von der Stelle!«
    Das glaub ich, dachte De Marchi, dich wird man mit Gewalt wieder losschrauben müssen. Er stieg über die rot-weiße Absperrung hinweg, entschuldigte sich bei einem Fotografen, der auf dem Weg kauerte, und kletterte zu der Leiche hinunter.
    Der Rechtsmediziner war schon gegangen, und die Kriminaltechniker waren mit der Spurensicherung beschäftigt. Mit dem Brückenpfeiler als Bezugspunkt hatten sie das Gebiet fotografiert. Der Weg wies eindeutige Fußabdrücke auf, und man hatte bereits einen Abguss genommen. Der Hund hatte anscheinend nichts mitbekommen: Die Streifenpolizisten, die als Erste am Ort des Geschehens eingetroffen waren, hatten ihn etliche hundert Meter von seinem Herrn entfernt gefunden; er war an einem Baum angebunden, vor sich eine Plastikschale mit den Resten einer Mahlzeit. Der Hund war ruhig, er wedelte.
    De Marchi trat auf Tullio Ferrari zu, den Leiter der Kriminaltechnik, und fragte: »Na, wie steht’s?«
    Ferraris Mundwinkel senkten sich.
    »Schlecht. Das sieht mir gar nicht nach einem Unfall aus.« Der Kommissär nickte. Auch ihm war dieser Verdacht gekommen, noch bevor forensische Erkenntnisse vorlagen. Denn was hatte der Bürgermeister am Bachufer zu suchen gehabt? Wieso saß sein Hund im Dickicht, vor sich eine Schale mit Futter? Und wieso war er mit einem Strick angebunden, die Leine aber neben Pellanda auf dem Boden gefunden worden?
    »Nachdem er mit dem Gesicht im Wasser lag«, sagte Ferrari, »könnte er auch ertrunken sein.«
    »Er könnte?«, fragte De Marchi.
    Ferrari, ein Mann mit stolzer Körperhaltung und expressiver Mimik, runzelte die Stirn.
    »Der Doktor hat eine Prellung und Hautabschürfung im Nacken festgestellt.«
    De Marchi seufzte. Er hatte sich gleich gedacht, dass es ein schwieriger Fall würde: Nicht umsonst hatten sie ihn geholt, noch bevor sie sagen konnten, ob der Bürgermeister womöglich an einem Schlaganfall oder Herzinfarkt gestorben war. Außerdem hatte die Gegend hier, mit diesem dichten Gestrüpp und der Feuchtigkeit und dem ständigen Rauschen des Wassers, etwas Finsteres und Einsames … Wohl fühlte man sich hier nicht.
    »Ein Schlag also. Und ist er an dem Schlag auch gestorben?«, fragte er Ferrari.
    »Schwer zu sagen. Der Doktor sieht jedenfalls die Anzeichen eines ›blauen Ertrinkens‹, wie sie das nennen: Das Gesicht ist blau verfärbt, er hat den typischen Schaumpilz vor dem Mund und eine Gänsehaut.«
    »Kein Wunder, bei der Kälte...«, konnte der Kommissär sich nicht verkneifen.
    Ferrari wölbte elegant die Brauen.
    »Schon gut, entschuldige …« De Marchi hob die Hände. »Ich hab nix gesagt! Wie lang ist er schon tot?«
    »Nun …« Ferrari krauste die Nase. »Auch darüber habe ich mit dem Doktor gesprochen, aber es ist schwer zu sagen. An den Schläfen- und Kaumuskeln hat die Leichenstarre eingesetzt, am Hals zeigen sich die ersten Totenflecke … weiß nicht, vielleicht drei, vier Stunden.«
    Kommissär Emilio De Marchi, der mit seinem Anorak und der Wollmütze auf seinem kahlen Kopf wie ein zufälliger Spaziergänger wirkte, war ein robuster Mensch und nicht mit überschwänglicher Fantasie geschlagen. Doch er besaß einen wachen Verstand und einen ausgezeichneten Spürsinn und hatte bereits eine Vorstellung, was hier geschehen war.
    »Das ist irgendwie eine ungute Geschichte«, fuhr Ferrari fort. »Man denkt sich, er hatte einen Schwächeanfall, ist mit dem Kopf aufgeschlagen und ertrunken. Blöd gelaufen. Aber der Hund?«
    »Hm«, brummte De Marchi. »Ja, der Hund.«
    Das Hundegebell hatte Signor Baggi veranlasst, sich über das Brückengeländer zu beugen, und dabei hatte er die Leiche entdeckt. Der Hund hatte gebellt, als sein Herr schon tot war. Wie aber war er in die Lage geraten, in der er sich befand - angebunden an einem Baum?
    Der Kommissär

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