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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Contini, die Treuhandgesellschaft Finzi hat in der Vergangenheit viel Geld investiert, um die Erweiterung des Staudamms zu verhindern, welche indes vom Bürgermeister Pellanda und dem Ingenieur Vassalli vehement vorangetrieben wurde, und da Pellanda ausgerechnet jetzt, da von einer neuerlichen Stauseeerweiterung die Rede ist, unter ungeklärten Umständen verstorben ist, besteht allseits die Befürchtung, dass … dass …«
    An diesem Punkt riss Passalacqua die Augen auf und verstummte. Seine von vornherein einsturzgefährdete Rede war über ihm zusammengebrochen.
    »Du hast von deiner Befürchtung gesprochen!«, assistierte Finzi.
    »Ja. Also, wie ich sagte, haben wir Kollegen dem Herrn Finzi sofort unsere Befürchtung vorgetragen, dass jemand, der im Mordfall Pellanda ermittelt, sich dazu versteigen könnte, an gewisse heikle Aspekte unserer Finanzstrategie zu rühren, und deshalb …«
    »Das reicht schon«, würgte Finzi ihn ab. »Signor Contini hat schon verstanden.«
    »Nein, offen gestanden, hab ich nicht besonders viel kapiert«, sagte Contini.
    »Weil Passalacqua kein Mann der vielen Worte ist«, antwortete Finzi. »Um es kurz zu machen: Ich will Sie engagieren.«
    »Sie? Mich?«
    »Ich will, dass Sie den Tod von Pellanda untersuchen. Ich möchte vermeiden, dass die Polizei anfängt, in der Vergangenheit zu graben. Obwohl ich nichts zu befürchten habe. Stimmt’s, Passalacqua?«
    »Das stimmt, Signor Finzi.«
    »Sehen Sie? Aber ich will halt keinen Ärger, ist doch klar. Und schon bevor Sie hier aufgekreuzt sind, hat mir Passalacqua den Vorschlag gemacht, einen Detektiv zu engagieren. Jetzt sind Sie schon mal da, und da nutze ich gern die Gelegenheit. Was sagen Sie?«
    Contini sagte nichts.
    »Also wenn ich nicht irre, sind Sie im Zusammenhang mit dem Verschwinden Ihres Vaters sowieso schon mit der Sache befasst. Oder?«
    Der Detektiv stand auf und griff nach Hut und Mantel.
    »Ich denke darüber nach«, sagte er. »Dann melde ich mich bei Ihnen.«
    »Davon gehe ich aus.«
    Finzi lächelte ihm nach, während Contini mit einem knappen Gruß verschwand.
    Auf dem Rückweg zu seinem Wagen dachte Contini darüber nach, ob Finzi mehr wusste, als er zugab. Oder war er tatsächlich auf einer falschen Fährte?
    In Gedanken versunken ging er vor sich hin und sah, ohne sie wahrzunehmen, die Passanten, die ihm begegneten, die Plakate mit dem Programm der bevorstehenden Fasnacht, eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben, die ihr Geheimnis durch die Straßen von Chiasso spazieren fuhr. Es war ein windiger Tag, und mächtige Wolkengebilde jagten über den Himmel.
    Hinter dem Lichtspieltheater sah er sein Auto stehen. Aber gleich daneben erschien ihm, wie ein ärgerlicher Fremdkörper im Auge, die prekäre Gestalt des Risk Managers Passalacqua. Er verwarf die Idee als optische Täuschung; erst beim Näherkommen begriff er, dass er richtig gesehen hatte.
    »Signor Contini«, sprach das wie ein Wimpel im Wind flatternde Männlein.
    »Signor Passalacqua. Sind Sie mir gefolgt?«
    »Ich versuche Sie schon eine ganze Weile zu erreichen. Es ist mir ja nicht entgangen, dass Sie noch unschlüssig sind, was unser Angebot betrifft, und erlaube mir daher, Ihnen eine Entscheidungshilfe...«
    »Nein danke.«
    Contini schloss die Wagentür auf, setzte sich hinters Steuer, zog die Tür zu. Passalacqua starrte ihn mit offenem Mund an. Durch das Fenster ähnelte er einem Fisch, der auf die Glasscheibe des Aquariums zuschwimmt. Contini ließ das Fenster herunter.
    »Aber Signor Contini, Sie …«
    »Hab ich mich nicht klar ausgedrückt?«, unterbrach ihn der Detektiv. »Ich will den Auftrag nicht. Ich ermittle lieber auf eigene Faust.«
    »Aber …«
    »Schönen Tag noch!«
    Contini startete den Wagen und ließ den stammelnden Passalacqua stehen.
    Begleitet von der Stimme Gilbert Bécauds fuhr er gemächlich ins Büro zurück. Es kam nicht oft vor, dass er die Geduld verlor. Aber die stumme, bedrohliche Rückkehr der Vergangenheit zerrte an seinen Nerven - umso mehr, als er keine Gewissheiten hatte. Aber diesmal würde er sich nicht entmutigen lassen: Ein letztes Mal noch würde er versuchen zu erfahren, was aus seinem Vater geworden war.
    »Das sind zwei verschiedene Baustellen, seit zwanzig Jahren«, sagte er kurz danach am Telefon, »und ich will nicht der Idiot sein, der Zusammenhänge sucht, wo keine sind.«
    »Ich versteh Sie schon«, antwortete die tiefe Stimme seines Gesprächspartners. »Aber wie ein weiser Mann einst sagte,

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