Am Grund des Sees
ein ultrabreites Fenster.
Contini umrundete den Schreibtisch in der Hoffung, einen Blick auf ein Dokument werfen zu können, aber in dem Moment sah er, wie die Klinke gedrückt wurde, wandte sich rasch ab und blickte aus dem Fenster.
»Schönes Panorama, nicht?«, sagte die Stimme von Amedeo Finzi.
Contini fuhr pflichtgemäß zusammen, als hätte ihn Finzi überrascht.
»O ja, sehr«, antwortete er. »Und ein schönes Büro!«
Finzi lächelte geschmeichelt. »Nehmen Sie doch Platz.«
Der Boss deutete zu der kremfarbenen Sitzgruppe hinüber, und Contini, obwohl er sich mit Vorsicht setzte, versank augenblicklich in einer weichen Tiefe.
Der Detektiv trug, wie stets, seine dünne schwarze Krawatte zu einem hellen Anzug, Finzi hingegen war recht lässig in Jeans und ein eng anliegendes schwarzes T-Shirt gekleidet. Mit seinem weichen Mund, seiner sonnenstudiogebräunten Haut und der Mähne grauer Löckchen erinnerte er an einen Exhippie, der noch munter unterwegs ist.
»Ich weiß alles über Sie, Contini«, sagte Finzi. »Man hat mich informiert, dass Sie durch die Gegend kutschieren und Fragen über den Staudamm von Malvaglia stellen.«
Contini sagte nichts.
»Also, Herr Detektiv, fragen Sie sich nicht, warum ich Sie empfange?«
»Weil Sie mir was zu sagen haben.«
»Ah, nein, da irren Sie sich! Ich habe Sie empfangen, weil Ihr Vater vor zwanzig Jahren mit meinem damaligen Teilhaber durchgebrannt ist, und deswegen dachte ich, wer weiß, vielleicht haben Sie mir ja was zu sagen …«
Finzis Tonfall war angriffslustig, aber Kränkungen prallten an Contini ab. Er sagte lediglich: »Wenn Sie gestatten, möchte ich Sie auf ein paar Dinge hinweisen.«
»Ich höre.«
»Erstens: Gehe ich recht in der Annahme, dass jemand, der sich mit den damals von Ihnen an die Gruppe der Staudammgegner geleisteten Zahlungen befasst, einen ziemlichen Filz fände?«
»Nur zu, ermitteln Sie und lassen Sie mich das Ergebnis wissen.«
»Dazu habe ich leider nicht die Möglichkeiten, aber ich will Ihnen noch was anderes sagen. Ich glaube, dass Sie sehr wohl etwas über das Verschwinden Ihres Teilhabers und meines Vaters wissen und vielleicht sogar etwas mit dem Tod des Bürgermeisters Pellanda zu tun haben.«
Finzi lachte herzlich.
»Und mir hat man gesagt, Sie seien ein ganz Schlauer, Contini! Ist Pellanda nicht an einem Schwächeanfall gestorben?«
»Das steht noch nicht fest. Er kann auch ermordet worden sein.«
»Von wem - von mir vielleicht? Und was für ein Motiv hätte ich?«
»Vielleicht wusste Pellanda einiges über Ihre Machenschaften vor zwanzig Jahren und hat Sie jetzt, wo ein weiterer Stauseeausbau ansteht, erpresst: Wenn du nicht so und so viel an die Gemeinde überweist, packe ich aus.«
Finzi schüttelte den Kopf.
»Als Detektiv sind Sie eine Verschwendung. Sie sollten zum Film gehen, wirklich. Bilden Sie sich im Ernst ein, ich hätte Angst vor Pellanda und nähme mir die Zeit, ihn zu ermorden? Sie sind auf einer falschen Fährte, mein Freund, und das werde ich Ihnen beweisen.«
Finzi drückte auf einen Knopf an seinem Schreibtisch. Augenblicklich öffnete sich die Tür, und es erschien ein schiefes Männchen um die sechzig.
»Das ist Signor Passalacqua«, sagte Finzi, »mein Juniorpartner.«
Finzi war gut zwölf Jahre älter als sein Teilhaber, dennoch troff seine Bemerkung von Spott. Passalacqua schien mit Drähten zusammengehalten: Sobald er mit irgendeiner Bewegung die vertikale Achse verließ, geriet sein gesamter Körper ins Wanken und drohte auseinanderzufallen, bis er wie durch ein Wunder in die aufrechte Lage und ins Gleichgewicht zurückfand. Er kam auf den Detektiv zu und senkte den Kopf.
»Signor Contini.«
»Salve!«, antwortete Contini, und Passalacqua versank ebenfalls in einem Polstersessel.
»Signor Passalacqua«, sagte Finzi vom Schreibtisch aus, während seine Finger mit dem Brieföffner spielten, »wird Ihnen gleich was erklären.«
Contini betrachtete das Männchen, das in der Tiefe der kremfarbenen Weiche wie eine am Bühnenrand vergessene Marionette wirkte.
»Signor Contini«, begann Passalacqua mit einem Räuspern. »Ich bin der Senior Advisor sowie der Risk Manager der Treuhandgesellschaft Finzi.«
Er schwieg, als wartete er auf ein Zeichen der Zustimmung. Finzi forderte ihn auf, weiterzusprechen, und Contini traute seinen Augen nicht: Was immer das Männchen sein mochte - es war jedenfalls der unwahrscheinlichste Risk Manager, den man sich denken konnte.
»Also, Signor
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