Am Grund des Sees
tun?«
»Keine Ahnung. Auf jeden Fall sehe ich keine Verbindungen mit dem Tod von Pellanda.«
»Glauben Sie übrigens, dass er ermordet wurde?«
»Kann sein. Finzi hat ihn jedenfalls nicht umgebracht. Seine Hände sind schmutzig wie ein Misthaufen, aber blöd ist er nicht. Sie verfolgen eine falsche Spur.«
»Dasselbe hat er mir auch gesagt«, antwortete Contini.
» Sie sind der Detektiv. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Pellandas Tod zum jetzigen Zeitpunkt ein Zufall ist. Und sagen Sie jetzt nicht, dass Sie einer sind, der nicht an Zufälle glaubt!«
»Doch, doch … Inzwischen glaube ich alles.«
Eine falsche Spur, dachte er noch einmal am selben Abend, als er nach Corvesco zurückgekehrt war und zum Tresalti hinaufging. Er wollte seine Gedanken klären, eine Entscheidung treffen, ob er mit der Ermittlung fortfahren oder die Vergangenheit ins Vergessen zurücksinken lassen sollte. Am großen Becken angelangt, kletterte er auf die Einfassung und hielt Ausschau nach den drei Flößen, die er vor einiger Zeit hineingeworfen hatte.
Er entdeckte nur eines: Einsam drehte es sich abseits im Kreis. Die beiden anderen hatten sich zwischen Steinen verklemmt oder waren in einer Sackgasse gestrandet.
Eines von dreien, dachte Contini.
»Ja«, murmelte er. »Es wird eine falsche Fährte sein.«
Tommi liebte Zahlen. Gerade in stürmischen Zeiten suchte er stets Zuflucht in der warmen, beruhigenden Welt der Zahlen. Ein Dilettant war er nicht: Er hatte Unterricht genommen, er hatte auf eigene Faust studiert, und mit der Zeit hatte er sich recht fundierte mathematische Kenntnisse erworben. Aber noch immer ließ er sich von Begegnungen mit bestimmten Zahlen überraschen; er war überzeugt, dass derlei nicht zufällig geschah.
Als man ihm bei der Zulassung seines ersten Autos ein Nummernschild mit vier Ziffern zugewiesen hatte, verstand er noch fast nichts von Mathematik. Aber einen Instinkt für Zahlen hatte er schon immer gehabt, und die Zahl auf seinem Nummernschild lautete 2520. Er traute seinen Augen nicht. 2520! Das war ihm bei weitem lieber als eine Banalität wie 7777 oder eine trostlose Kombination wie 1234. Denn 2520 ist die kleinste Zahl, die durch 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 teilbar ist (und natürlich durch 10). Alle ersten Teiler gingen hinein, alle! Eine wunderbare Zahl war das, und sie auf dem Nummernschild seines Autos zu haben war ein ausgezeichnetes Omen für die Zukunft.
Obwohl dann …
Tommi parkte neben der Kanzlei Calgari, nahm die Sonnenbrille ab, und bevor er ausstieg, lehnte er für ein paar Sekunden mit geschlossenen Augen den Kopf an die Nackenstütze. Ein ausgezeichnetes Omen für die Zukunft? Was war denn aus all seinen Gelübden geworden, aus seinem festen Willen zur Rache? Er war noch immer der Sohn des alten Porta, der von Malvaglia fortgegangen war, dann seine Stelle verloren hatte und gestorben war, voller Alkohol und Krankheiten und Träume, die …
Eine jähe Müdigkeit überkam ihn.
Wellen des Schlafs schwappten über seine Gedanken hinweg und ließen sie auseinanderbrechen; die Einzelteile setzten sich wieder zusammen und gingen neue Wege … Ein ausgezeichnetes Omen? Büroangestellter in einem Autohaus? Buchhaltung, Kundentelefonate? Sein Vater jedenfalls hätte gewollt … Jetzt aber hatte Tommi getötet.
Tommi, jawohl.
Allein. Niemand hatte ihm geholfen. Auch Elia Contini nicht.
Ich bring dich um, hatte er zum Bürgermeister gesagt, und er hatte es getan. Wie einen Hund.
Wie einen Hund. Der allerdings war am Leben geblieben, der Hund …
Mit einem Ruck fuhr Tommi auf. Nein, er hatte nicht eigentlich geschlafen, nur waren für einen Moment seine Gedanken unkontrolliert umhergeschweift. Bevor er ausstieg, richtete er seine Krawatte und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.
Er musste bei seinem Anwalt einen guten Eindruck machen, wenn er ernst genommen werden wollte. Er war im Recht, das Gesetz musste auf seiner Seite stehen. Das Gesetz und die Gewalt. Denn Angst bewirkt zweifellos mehr als ein Anwalt, und Tommi war durchaus imstande, Angst einzuflößen.
Giorgio Calgari war ein stattlicher Mann mit ergrauten Schläfen und hoher, weiter Stirn. Tommi aber konnte ihn kaum ansehen, ohne dass sich ein Grinsen in sein Gesicht stahl. Wenn der wüsste, dachte er, wenn der wüsste, was ich getan habe!
»Also schön, Signor Porta, dann erklären Sie mir doch mal Ihren Plan …«
»Da gibt es wenig zu erklären, Herr Rechtsanwalt. Ich bin mir darüber im Klaren, dass
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