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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Achtung!«, riefen sie. »Wir haben einen toten Marienkäfer gefunden!«
    Sie entrollten rings um ihn ein gelbes Band, auf dem » Crime Scene « stand, und Chico begriff, dass sie sich von der Krimiserie CSI: Den Tätern auf der Spur hatten inspirieren lassen; flügelschlagend mimte er den Tod eines Käfers, was bei den Leuten der Spurensicherung rasende Heiterkeit entfesselte. Als die Lachstürme verebbten, stand er wieder auf und ging mit ihnen weiter zur Piazza Collegiata.
    Sie begegneten Ungeheuern, Meerjungfrauen, abgetakelten Cowboys und einem Spiderman, der nicht mehr aufrecht stehen konnte. Aber das machte nichts: Betrunkene wurden nicht ausgegrenzt, im Gegenteil, die ganze Stadt betrank sich mit, einzige Gewissheit ist die Anarchie. Neben dem Schaufenster eines Juweliers, am Beginn der Via Camminata, führte eine Gasse zur Burg hinauf, und dort im Dunkeln stand ein Skelett in innigster Umarmung mit einer Klosterfrau.
    Auf der Piazza Nosetto spielte eine Guggenmusik, deren Blechbläser und Trommler einheitlich als Wiese verkleidet waren. Ab und zu forderte einer aus der ersten Reihe die Menge zum Tanzen auf, indem er hin und her sprang und über die große Trommel hinweg schrie: »Hoch die Hände, los, alle zusammen …!«
    Nach einer Weile bekam Chico Hunger und kaufte sich in der Via Camminata einen Fladen. Gleich nebenan befand sich ein Nachtlokal, und gegenüber, unter den Lauben, entdeckte er das Schaufenster einer Buchhandlung. Dorthin ging er, um seinen Fladen zu essen. Er lehnte die Stirn an die Glasscheibe und betrachtete die Buchtitel im Halbdunkel. Es waren, ganz banal, die Neuerscheinungen des Frühjahrs, aber in dem matten Licht hatten sie beinahe etwas Mysteriöses - wie die Verheißung eines Geheimnisses, einer Reise weit fort aus der gewohnten Welt.
    Niedergeschlagen dachte Chico an sein ereignisloses Leben. Auch die Fasnacht war nur eine Illusion. Er malte sich aus, wie er in die behagliche Wärme der Buchhandlung eintauchte, um nach und nach all diese Bücher zu lesen … Eine in der Glasscheibe gespiegelte Bewegung schreckte ihn auf.
    Er drehte sich um und sah einen Mann in braunem Mantel mit Pelzkragen, heller Hose und breitkrempigem Hut vorübergehen.
    »Contini!«, rief Chico aus.
    »Bitte?«, sagte Contini.
    »Malfanti, Anwalt! Erkennen Sie mich nicht?«
    »Äh …« Contini nickte ihm zu und sagte: »Verzeihen Sie, aber mit Fühlern sind Sie wirklich kaum wiederzuerkennen.«
    »Und Sie?«, fragte Chico. »Was verschlägt Sie hierher - nachdem Sie offensichtlich kein Fasnachtfreund sind?«
    Contini seufzte.
    »Gute Frage …«
     
    Die Frau an Continis Seite war in schreiende Farben gekleidet - pinkfarbener Rock, violette Strümpfe, scharlachrotes Schultertuch -, aber nicht unfesch. Ein Hauch Make-up, die Haare zu zwei Zöpfen geflochten. Chico stellte sich vor: »Ciao! Ich bin Chico.«
    »Francesca.« »Contini und ich, wir kennen uns beruflich.«
    »Aha.«
    »Wart ihr auf dem Weg irgendwohin?«
    Contini nickte.
    »Na los, ich begleit euch ein Stück!«
    Wirklich ein schräger Typ, dieser Detektiv, dachte Chico auf dem Weg zur Piazza Nosetto. Trotz Alkohol und Müdigkeit, trotz dem Gejohle der Menge, in dem man das eigene Wort nicht verstand, witterte Chico Malfanti einen Hauch jenes Abenteuers, nach dem er sich chronisch sehnte. Contini hatte die Hände in den Taschen, die Hutkrempe verbarg seine Augen; Chico sah ihn sich eine Zigarette anzünden und Francesca etwas zumurmeln. Sie lächelte.
    Wirklich eine Klassefrau. Wäre sie nicht mit Contini unterwegs, hätte Chico sie durchaus näher ins Auge gefasst. Sie schien jedenfalls von der Fasnacht begeistert, blieb immer wieder stehen und begrüßte jemanden, lachte … Er hingegen: der totale Kontrast. Er rauchte und betrachtete seine Umgebung, als spazierte er durch ein Kuriositätenmuseum.
    Auf der Bühne der Piazza Nosetto spielte die Spacatesta-Band.
    »Die sind super!«, schrie Chico über den Lärm hinweg.
    In dem Moment kündigte der Pfeifer allerdings eine Pause an, mit der Musik war es erst mal vorbei. Francesca entdeckte eine Freundin in der Menge, winkte ihr zu und ging zu ihr hinüber. Chico jedoch erkannte einen der Saxophonisten, die jetzt von der Bühne herunterkamen.
    »Ah, der schon wieder! … Mann, die Welt ist klein!«
    Tommi fuhr jäh herum, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.
    »Tommaso Porta!«, rief Chico mit wippenden Käferfühlern.
    »Na, Sie kennen mich auch nicht mehr, oder? Ich bin Ihr

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