Am Grund des Sees
Angelegenheit; zu dem Zweck brauche er Auskunft über die Beschwerde gegen die Erweiterung des Staudamms. Chico war entzückt. Ein finsterer Detektiv, der seinen Vater sucht: Das war wirklich Abenteuer - ein ganz anderes Kaliber als dieser halb verrückte Porta! Freilich durfte er nicht vergessen, was seine Rolle war.
»Schauen Sie, Contini, ich bin Anwalt.«
Pause.
»Und als solcher kann ich Ihnen keinesfalls Auskünfte erteilen, die meine Mandanten betreffen, tut mir leid. Ich kann Ihnen nicht mal sagen, wer diejenigen sind, die ein Beschwerdeverfahren anstrengen.«
»Ach, es sind mehrere?«
Verdammt, verplappert! Chico räusperte sich.
»Na ja, soviel darf ich Ihnen wohl verraten. Ja, es handelt sich um eine Gruppe von Anwohnern; wir verhandeln allerdings nur mit ihrem Sprecher.«
»Und Ihr Chef hat den Fall übernommen?«
»Oh, das fragen Sie ihn lieber selber.«
»Das hab ich versucht, aber die Sekretärin hat mich an Sie verwiesen.«
»Weil ich natürlich die Details kenne.« In Erkenntnis seiner Stellung reckte Chico den Hals. »Aber seit neuestem interessiert sich auch Herr Rechtsanwalt Calgari für den Fall.«
»Wie das?«
»Nach einem Gespräch mit dem Wortführer der Beschwerdewilligen hat mein Chef beschlossen, den Fall nicht abzulehnen.« Chico nahm einen Schluck Wein. »Offiziell übernommen hat er ihn allerdings auch noch nicht. Er hat lediglich zugesagt, dass er sich die Sache durch den Kopf gehen lässt: Offensichtlich hat sie seine Neugier geweckt.«
»Und warum?«
»Sie versuchen, mich zum Reden zu bringen, stimmt’s? Sparen Sie sich die Mühe. Hören Sie, Contini, ich mach Ihnen einen Vorschlag.«
Pause. Der Anwalt genoss jedes einzelne Wort dieses Dialogs.
»Ich biete Ihnen ein Gespräch mit meinem Chef an. Heute Nachmittag.«
»Vielen Dank.«
»Ich weiß natürlich nicht, ob er einverstanden ist, aber ich tue mein Möglichstes. Als Gegenleistung verpflichten Sie sich, uns über alles, was Sie in Erfahrung bringen, auf dem Laufenden zu halten.«
Pause.
»Sind wir uns einig?«
»Ja«, sagte Contini. »Einverstanden.«
Nachdem er sich von dem Junganwalt verabschiedet hatte, spazierte Contini über die Piazza del Sole und vertrieb sich bis zum Mittagessen die Zeit. In einer Brasserie in der Bahnhofstraße aß er Eier mit Schinken, und pünktlich um zwei Uhr sprach er in der Kanzlei Calgari vor.
Der Anwalt empfing ihn mit einem kleinen Lächeln. Die Rätsel um den Stausee von Malvaglia schienen eine gewisse Erheiterung bei ihm zu bewirken.
»Also, Contini, mein junger Kollege sagt mir, Sie wollen einen Pakt mit uns schließen.«
»Eigentlich will ich nur Näheres über die Beschwerde erfahren.«
»Und weshalb?«
»Hat Ihnen Herr Malfanti nichts gesagt?«
»Doch, doch. Und in Vorbereitung auf unser Gespräch habe auch ich Auskünfte eingeholt. Ich weiß zum Beispiel, dass Sie eine Unterredung mit dem Herrn Amedeo Finzi von der Treuhandgesellschaft Finzi hatten.«
»Hat Ihnen das der Finzi gesteckt?«
Calgari schüttelte den Kopf.
»Ein Kollege. Schauen Sie, wir leben in einem kleinen Land, und was diesen Stausee betrifft, sind die Gemüter schon sehr erhitzt, scheint mir. Ich verstehe, dass Sie wissen wollen, was mit Ihrem Vater ist, aber Sie müssen auch bedenken, dass jetzt schon zwanzig Jahre vergangen sind und ziemlich viele Interessen auf dem Spiel stehen.«
»Welche Interessen haben Sie denn?«
Calgari lächelte. »Ich hatte welche vor zwanzig Jahren, als wir diese Beschwerde führten.«
»Aber die wurde abgewiesen.«
»Richtig. Unter den Beschwerdeführern war auch Ihr Vater, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ja. Und jetzt überlegen Sie, ob Sie noch einmal ein Mandat in dieser Sache übernehmen sollen.«
»Tja.« Calgari fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Okay, ich gestehe es Ihnen: Es ist eine kleine Eitelkeit von mir. Wieso nicht, sage ich mir, wieso versuch ich’s nicht noch mal?«
»Halten Sie die Erfolgsaussichten denn heute für besser?«
»Es sind in der Tat neue Umstände eingetreten. Ein Detektiv stellt Nachforschungen über das damalige Verfahren an, der Bürgermeister stirbt unversehens unter verdächtigen Umständen … kurz, ich muss zugeben, dass meine Neugier geweckt ist. Deshalb wollte ich auch mit Ihnen reden …«
»Wer sind die Beschwerdeführer?«
»Hm … Vorläufig ziehen sie es vor, ungenannt zu bleiben. Glauben Sie denn, sie hätten etwas mit dem Gegenstand Ihrer Ermittlungen zu tun?«
»Kann man nie wissen. Wie
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