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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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sie. Francesca seufzte tief.
    »Überzeugt bist du nicht, oder?«
    »Das ist es nicht.«
    »Was ist es dann?«
    »Schau, Francesca, nimm’s bitte nicht persönlich, aber ich wäre heute Abend gern allein.«
    »Aber …«
    »Es ist halt so eine Phase, weißt du … also ich hab grad kein Bedürfnis zu reden …«
    »Wann hast du je ein Bedürfnis?«
    »Ach, du weißt doch, dass …«
    »Aber früher oder später müssen wir reden, weißt du?«
    »Ich weiß.«
    »Es sei denn, du hast dich bereits entschieden.«
    Schweigen.
    Dann sagte Francesca: »Wir hören uns in den nächsten Tagen, okay?«
    Und legte auf, ehe er antworten konnte. Er hätte aber ohnehin nichts zu sagen gewusst. Er legte ebenfalls auf und ging in die Küche, wo der Kater maunzend auf und ab tigerte. Ich bin ein geduldiges Wesen, Contini, ich habe Verständnis für Ärger mit Polizisten und Beziehungskisten. Aber Essen ist Essen, kapier das endlich …
    »Fang du jetzt nicht auch noch an«, fauchte Contini und öffnete eine Futterdose.
    Während der Katzenhunger gestillt wurde, stieg Contini in den Keller hinab und kam mit einer Salami und einer Flasche Merlot wieder herauf.
    Ab und zu, wenn sein Leben nicht rund lief, gönnte er sich einen alten Film. An diesem Abend legte er die Videokassette mit Gefährliche Begegnung ein, und während er aß, sah er zu, wie Edward G. Robinson als Wanley von der Polizei verfolgt wurde und die geheimnisvolle Frau aus dem Porträt floh und wartete, floh und schrie, als riefe sie aus der Tiefe einer verflossenen Zeit, als wäre unter dunklem Wasser das Haus noch lebendig, voller menschlicher Stimmen und ohne Geheimnis. Aber die porträtierte Dame war zu schön, als dass sie einen Mann nicht ins Verderben gestürzt hätte.
    Am Ende wusste Contini nicht mehr, ob er einen Film gesehen oder geträumt hatte.
    Sicher war nur, dass die Weinflasche leer war.
     

13
    Villa Luganese
    Tommi bemühte sich, alle miteinander zu versöhnen.
    Drei Fotos hingen noch an der Wand: Andrea Porta, Desolina Fontana und Elia Contini. Tommi lauschte. Vassalli und Pellanda waren dahin, und niemand vermisste sie. Du musst bedenken, sagte Contini, dass mein Vater verschollen ist. Deiner nicht, deiner ist bei dir geblieben. Andrea Porta rief: He, Junge, ist dir klar, dass ich alles verloren habe? Tommi versuchte beide zu beschwichtigen: Na kommt, jetzt regt euch doch nicht auf. Andrea Porta krakeelte weiter: Mich haben sie rausgeschmissen, gekündigt, verstehst du? Wir standen auf der Straße, ich und mein Sohn! Tommi sagte: Aber verstehst du denn nicht, Papa, Elia hat doch ebenfalls Schlimmes durchgemacht …
    Ja, wer hätte das nicht?, schaltete sich die alte Desolina ein.
    Wer hätte das nicht, wiederholte Tommi und setzte die Bierflasche an die Lippen. Die alte Desolina ist weise, sie kennt die Wahrheit. Ich aber habe Gerechtigkeit hergestellt. Der ironische Ton seines Vaters: Ach, das glaubst du, ja? Diesen Tonfall konnte Tommi nicht ausstehen. Und du, was hast du getan, Papa? Außer dich an der Flasche festzuhalten, natürlich! Daraufhin entfernte sich sein Vater beleidigt, doch zum Glück sagte Contini: Jetzt wird alles gut.
    Jetzt wird alles gut.
    Die alte Desolina war anderer Meinung. Wer sagt das? Früher oder später hast du die Polizei am Hals. Die erwischen dich, davon bin ich überzeugt.
    Nun wandten alle den Blick ab, und Tommi wusste, was sie dachten. Wieder einmal war es an ihm, zu handeln, um die Polizei in die Irre zu führen. Aber er war es leid, mit dem Tod zu spielen. Alles schwieg, nur Contini flüsterte …
    Am Ende bleibt sowieso immer der Tod, das weißt du.
    Das ist unvermeidlich.
    Tommi riss die Augen auf, schüttelte den Kopf. Aber insgeheim war ihm klar, dass sie Recht hatten. Er rief: »Ich tu’s, ich schwör’s euch!« Ihm kamen die Tränen. »Als wär’s ein Spiel, nicht? Ist es so nicht richtiger?«
    Am Ende bleibt der Tod.
     
    Fünf Flöße. Eines nach dem anderen ließ Contini am Tresalti ins Wasser fallen. Es war schon dunkel, und er hörte nur, wie sie landeten, sah aber nicht, wie die Strömung sie mitnahm. Diese Flöße hatte er aus Korken und dünnem Stahldraht gebaut. Hoffentlich gehen sie diesmal nicht verloren, dachte er. Ich könnte ein bisschen Glück gebrauchen.
    Es war später Nachmittag. Ein scharfer Nordwind ging, der sich wie eine Handvoll Nadeln im Gesicht anfühlte. Contini zog sich den Hut tief ins Gesicht und blickte auf die Lichter von Corvesco hinunter. Er stellte sich die vom Wind

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