Am Grund des Sees
Fuchsbaus hervorkam, hielt er an; sich noch weiter zu nähern wäre zu riskant gewesen. Er kauerte sich auf den Stumpf einer Kastanie und wartete. Es roch nach nasser Erde.
Nach einer knappen halben Stunde sah er den Fuchs fünfzig Meter unter ihm aus dem Haupteingang hervorkommen und brachte seine Kamera in Anschlag. Es war ein Prachtexemplar von einem Rüden. Der Fuchs sah sich um, witterte, scharrte im Boden, ließ ein dumpfes Winseln hören.
Contini fragte sich nach dem Grund dieser Unruhe, erfuhr sie aber gleich, denn ein zweiter Rüde tauchte auf - Contini hörte ihn, noch ehe er ihn sah, was ein Zeichen dafür war, dass das Tier alle Zurückhaltung aufgegeben hatte. Jäh brach der Fuchs aus einem niedrigen Haselnussstrauch hervor und stellte sich direkt vor dem Besitzer des Baus auf. Er ließ ein kurzes Knurren hören, und im nächsten Moment hatten beide Rüden sich auf die Hinterbeine aufgerichtet, während sie einander mit den Vorderbeinen angriffen und Beißversuche abwehrten.
Contini fotografierte. Die Rüden umklammerten sich - Contini fotografierte wieder - und wälzten sich auf dem Boden, schnappten und kämpften, und der Eindringling jaulte auf. Der andere aber ließ nicht locker, sondern griff mit harter Schnauze immer wieder an. Geduckt, die Ohren angelegt, setzte er zum Sprung auf die Flanke des Gegners an. Der versuchte noch auszuweichen, aber es gelang nicht, er verlor das Gleichgewicht. Er gab sich geschlagen: drehte sich auf den Rücken und bot seinem Feind die Kehle dar. Contini fotografierte weiter, während der Sieger den Besiegten beroch und neben ihm auf den Boden urinierte. Stolz reckte er seinen Schweif in die Höhe, während der unterlegene Fuchs den Schwanz über den Boden schleifen ließ und zum Zeichen der Demut wedelte.
Was für eine Glücksnacht! Einen Kampf zwischen zwei Fuchsrüden bekommt man so gut wie nie zu sehen, nicht einmal während der Fortpflanzungszeit. Befriedigt kehrte Contini nach Hause zurück.
Am nächsten Morgen aber, als er mit Brot, Honig und schwarzem Kaffee beim Morgenessen saß, ließ die Zeitungslektüre seine schlechte Laune sehr schnell zurückkehren.
Zu der Zeit bekam er zwei Tageszeitungen - die eine wurde ihm zu Werbezwecken zwei Wochen lang kostenlos geliefert. Beide behandelten auf der Titelseite die Krise im Staatsrat, von der Contini wenig wusste und nichts wissen wollte. Im Innenteil aber fand er diverse als Nachrichten verkleidete Hypothesen über den Mordfall Vassalli.
Die Polizei sucht einen geheimnisvollen Vagabunden, der wohlinformierten Kreisen zufolge …
… auch Alessandro Vassalli, Schwager des Bürgermeisters Pellanda, soll einen mysteriösen Detektiv erwähnt haben, der …
Wie Teleticino gestern berichtete, will Staatsanwalt Rodoni jetzt die nächsten Angehörigen vernehmen, um …
… erinnern wir an die heftigen und anhaltenden Auseinandersetzungen um die Erweiterung des Stausees, die nach Ansicht von …
Das Problem war, dass der Kanton Tessin weltweit die höchste Journalistendichte aufzuweisen hat, die sich in Fernseh- und Radiosendern tummeln, in Tageszeitungen, in Wochenzeitungen, im Internet und so weiter und so fort. Wie kann ein Detektiv angesichts dieser Aufmerksamkeit anonym bleiben?
Contini warf ergrimmt die Zeitungen auf den Tisch und stand auf, um seinen Gymnocalycium Friederickii zu gießen. Da der Pfropf kein Chlorophyll besaß, hatte ihn Contini einer grünen Sukkulente aufgepflanzt: Der Pfröpfling sah aus wie eine Laterne, eine im Herzen eines Kaktus brennende Kerze. Während er seine kleine Gießkanne füllte, läutete das Telefon.
»Contini.«
»Hallo, Signor Contini! Hier spricht Adele Fontana. Sie kennen mich nicht, aber ich bin die Nichte von Desolina, und ihretwegen rufe ich Sie an.«
»Ja …« Contini drückte den Hörer fester ans Ohr. »Wie geht’s ihr denn?«
»Sie ist gestern mit dem Flugzeug in Agno angekommen. Wenn Sie in den nächsten Tagen Lust haben, vorbeizukommen, würde sie das ganz bestimmt sehr freuen. Sie hat immer voller Zuneigung von Ihnen gesprochen, wissen Sie, und überhaupt von der damaligen Zeit! Gerade erst hat sie mir vom Leben damals in Malvaglia erzählt...«
Ihrer Stimme nach zu urteilen, war Adele Fontana eine Frau mittleren Alters. Contini sagte: »Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber ich habe nicht verstanden, von wo Sie anrufen.«
»Ah ja, natürlich, wie gedankenlos von mir! Ich wohne in Villa Luganese, wissen Sie, aber ein bisschen außerhalb,
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