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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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haben?«
    »Ich habe nicht auf ihn geschossen.«
    »Wer hat dann auf ihn geschossen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Aber Sie haben ihn ertränkt?«
    »Als ich ihn fand, war er tot.«
    »Haben Sie wieder miteinander gestritten?«
    »Als ich ihn fand, war er tot.«
    »Stimmt es, dass Sie Vassalli geschlagen haben?«
    »Nein.«
    »Dann hat Vassalli Sie geschlagen?«
    »Er hat eben die Nerven verloren, aber …«
    »Hat er Sie geschlagen oder nicht?«
    »Na ja, ich würde nicht sagen, dass …«
    »Und das haben Sie ihm nachgetragen.«
    »Ich trage niemandem irgendwas nach.«
    »Und was haben Sie mir über Ihren Vater zu sagen, Contini?«
    »Nichts.«
    »Hoffen Sie ihn zu finden, zwanzig Jahre später?«
    »Ich habe nichts zu sagen.«
    »Glauben Sie nicht, dass Ihr Vater tot ist?«
    Contini schwieg.
    »Glauben Sie nicht, dass Ihr Vater tot ist?«
    Keine Antwort. Dann fragte Rodoni: »Stimmt es, dass Sie mit Kommissär Laffranchi gesprochen haben?«
    »Ich habe ihm ein paar Fragen nach dem Verschwinden meines Vaters gestellt.«
    »Was für Fragen?«, wollte De Marchi wissen.
    »Über die damaligen Ermittlungen.«
    »Glauben Sie, dass Ihr Vater ermordet wurde?«
    »Dazu habe ich nichts zu sagen.«
    »Wer ist schuld dran?«
    »Schuld woran?«
    »Sagen Sie’s mir, Contini. Schuld woran?«
    »Ich weiß es nicht.« Contini, die Hände auf die Knie gestützt, schüttelte den Kopf. »Hören Sie, ich habe niemanden umgebracht.«
    »Sie haben niemanden umgebracht«, wiederholte De Marchi.
    »Nein, Sie kennen mich, Sie wissen, dass …«
    »… dass Sie niemanden umgebracht haben. Also ich sag Ihnen eins. Vorläufig lassen wir Sie gehen, aber wir befehlen Ihnen - und ich betone: befehlen -, sich in Zukunft rauszuhalten: Sie beschäftigen sich weder mit diesem Staudamm noch mit den beiden Morden. Ist das klar?«
    »Ich mache meine Arbeit …«
    »Ist das klar?«
    »Ist klar.«
    »Gut. Und halten Sie sich zur Verfügung.«
    Draußen vor dem Büro des Kommissärs zündete sich Contini eine Zigarette an. Wenn sich jetzt nicht bald irgendeine neue Spur ergibt, dachte er, wird das hier ein schlechtes Ende nehmen.
    Langsam, ohne das Autoradio einzuschalten, fuhr er nach Corvesco zurück und dachte nach. War in dieser glatten Mauer, an der sich alle die Köpfe blutig stießen, denn nicht irgendwo ein Spalt zu entdecken, an dem man ansetzen konnte; eine Schwachstelle, die zu Pellandas und Vassallis Mörder führte?
    Und sein Vater?
    War er wirklich tot? Bis jetzt hatte sich Contini bemüht, das Thema möglichst zu verdrängen. Aber vielleicht bestand ja wirklich eine Verbindung zwischen dem Verschwinden eines ehemaligen Polizisten in den achtziger Jahren und zwei Mordfällen zwanzig Jahre später?
    Er glaubte nicht mehr recht daran. Contini war mit der Absicht aufgebrochen, in der Vergangenheit zu graben, aber sein Vater war ihm wieder einmal entglitten. Auch von den eventuellen Enthüllungen der alten Desolina versprach er sich nicht mehr viel. Das Haus auf dem Grund des Sees war weit fort, vom Wasser und von der Zeit zerstört.
    Jetzt hatte er andere Sorgen: Wenn er nicht selbst des Mordes angeklagt werden wollte, musste er schleunigst den Mörder finden.
     
    Zu Hause angelangt, legte er sich in seine Hängematte und hörte eine neu erstandene CD: Eric Barret spielte mit seinem Saxophon Quand maman reviendra von Jacques Brel: »Wenn Mama zurückkommt« - schon nach wenigen Takten merkte Contini, dass das nicht die richtige Musik war. Quand maman reviendra, à cheval d’un chagrin d’amour … Er musste an seine Familie denken, von der er so gut wie nichts wusste. Die Erinnerung an seine Mutter waren ein paar verschwommene Bilder.
    Das Telefon läutete. Er sprang aus der Hängematte und hastete zum Apparat im Flur. Eine Hand an die Wand gestützt, nahm er ab.
    »Ciao, Contini, wie geht’s?«
    »Ah, Francesca, ciao, wie geht’s selbst?«
    »Gut. Und dir?«
    »Ebenfalls.«
    Dann schwiegen beide. Bis Francesca fragte: »Es geht noch immer um diese Sache, oder?«
    »Ja.«
    »Weißt du, dass mich die Polizei immer noch mit Fragen nervt?«
    »Das tut mir leid.«
    »Hast du nicht gesagt, dass du um sechs bei mir vorbeikommst?«
    Contini sah auf die Uhr. Es war Viertel nach sieben.
    »Oje. Entschuldige, Francesca, ich … hatte zu tun … und …«
    »Du hast es vergessen?«
    »Nein, oder vielmehr ja, aber …«
    »Soll ich stattdessen zu dir kommen? Wir können zusammen was essen und ein bisschen reden.«
    »Gute Idee.«
    Wieder schwiegen

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