Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
mir ja vielleicht einer, mein lieber Bud«, ertönt es vom Bett.
Ich sterbe drei Tode. Mein Herz wird von siebzehn messerscharfen Haken durchbohrt, bevor ich herumwirbeleund einen grinsenden Jerry auf meinem Bett liegen sehe, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
»Du kannst ja viele anschmieren, Bud«, sagt er. »Aber einen Super-Schlaukopf wie mich legst du nicht herein. Du hast es noch faustdicker hinter den Ohren, als man so denkt. Das ist mir schon ein paar Mal aufgefallen, dass Leute, die eigentlich ganz normal wirken, es in Wirklichkeit gar nicht sind. Wir alle haben eine Art Schrank in uns, voll mit merkwürdigen Dingen, von denen die anderen keine Ahnung haben. Das Leben ist so vollgestopft mit unerwarteten Dingen, dass mir ganz schwindlig wird. Das ist, als würde man in den Sternenhimmel starren & versuchen, sich vorzustellen, dass jeder Stern eine eigene Welt verkörpert, um die andere Planeten & Monde kreisen, auf denen genauso merkwürdige Wesen leben wie du und ich. Wesen, die auch in den Himmel starren & all die merkwürdigen Dinge beobachten, & hier bist du, Bud, ein heimlicher Yogameister, der im Kleiderschrank meditiert, wenn du von dem ganzen Genöle & Gemecker genug hast. Aber keine Sorge – ich kann dir versichern, das werden die besten & schönsten Ferien auf der ganzen Welt. Ein bisschen angeln, ein bisschen streichen, sich ein bisschen sonnen, das Leben genießen, während wir es leben …«
»Und was ist mit Selma?«, erinnere ich ihn, während mein Herz zurück in den alten, üblichen Trab fällt.
»Ach ja, Selma«, sagt er verwundert. »Die habe ich für ein paar Sekunden doch tatsächlich vergessen.Aber Selma, das ist eine Sache für sich. Ein unglaubliches Mädchen. Wollen wir bei ihr vorbeischauen & einfach nur Guten Tag sagen? Ich meine, sie ist so süß, dass ich, sobald ihr Name fällt, nur an Zucker & Honig & Lakritz & Bonbons gleichzeitig denken kann. Es bleiben ja nicht mehr viele Tage, bis sie in dieses Fat-Burning-Camp zieht. Wollen wir nicht …?«
»Aber was ist mit dem Riesenhecht?«, frage ich. »Sollten wir den nicht zuerst fangen?«
»Du bist genial!« Er springt vom Bett, stürzt auf mich zu und drückt mir einen feuchten Kuss auf die Stirn. »Du hast ja so recht, mein lieber Bud. Wir – nein, ich – ich muss mit diesem dicken Monster von Fisch zu ihr gehen, ihn ihr direkt auf den Tisch schmeißen & sagen, hier hast du mich – nun ja, nicht mich natürlich –, aber ich werde das Miststück auf den Tisch werfen & ihr zeigen, dass ich diesen riesigen Fisch nur für sie gefangen habe, & dann wird sie erkennen, was wirklich in mir steckt, & das glaube ich tatsächlich, dass sie das tun wird. Ich meine, wie schwierig kann es denn sein, auf jemanden Eindruck zu machen, wenn man mit einem Fisch, so groß wie ein Haus, ankommt? Ich meine – aber hallo!«
Ich öffne den Schrank und hole die Angelruten heraus.
Es wird höchste Zeit, von hier wegzukommen.
18. ANGELN IN TIPLING
Ich wohne zehn Minuten vom Zentrum von Tipling entfernt, oben auf dem sonnigen Hügel, der von den Leuten das Paradies genannt wird. Um in den Wald zu gelangen, musst du nur weiter hinaufgehen, bis du zu den Bäumen kommst und die Straße zu einem Fußweg wird.
Nach zwanzig Minuten Weg bergauf kommst du auf ein lang gestrecktes, leicht hügeliges Gelände, das Reveheia genannt wird. Kleine Hügel und tiefe Senken wechseln sich in der Landschaft ab. Hier kann man sich schnell verlaufen. Die Hügel ähneln einander und es gibt keine Hinweisschilder, die die Richtung nach Tipling anzeigen.
Aber gestandene Waldbewohner orientieren sich an den Seen. Die achtzehn Waldseen sind durch Flussläufe miteinander verbunden. Das Gelände eignet sich nicht nur für Leute, die angeln wollen, sondern auch für Leute, die mit dem Kanu paddeln gehen.
Der größte Teil des Wassers mündet schließlich im Digern, dem ersten See, zu dem der Weg führt. Woher er seinen Namen hat – Digern bedeutet nämlich der Riesige –, kann ich nicht sagen, weil er der kleinste unter den Seen ist. Beim Digern kriege ich immer so ein ekliges Gefühl, mit seiner dunklen Farbe und den hohen Bäumen, die übers Wasser ragen.
Vom Digern aus führt ein gerader Fluss hinunter nach Tipling. Der heißt – Überraschung! – Tiplingelva, also Tiplingfluss.
Die anderen Seen haben ihre Namen nach der Formbekommen, der sie ähneln. Es gibt den Korketreckern, Halvmånen, den Niern oder den
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