Am Helllichten Tag
sich kaum verändert.
»Sie ist es«, sagt sie. »Jetzt hoffe ich nur, Sie wissen ihren Nachnamen noch.«
»Sonst hätten Sie ja auch in der Schule nachfragen können«, sagt Frau Moors. »Aber keine Sorge, ich weiß ihn noch. Der Name hat mir immer gefallen, er passt auch gut zu ihrem Vornamen: Dagmar Dalhuijs.«
37
Kaum sitzt Julia im Auto, ruft sie auf dem Revier an. Ramakers ist am Telefon.
»Dalhuijs«, sagt sie ohne lange Vorrede. »So lautet Nathalies Nachname. Und ihr richtiger Vorname ist Dagmar.«
»Gut gemacht, Frau Vriens. Wir legen gleich los.«
Julia lässt das Auto an und fährt wieder nach Roermond.
Zwei Stufen auf einmal nehmend, läuft sie die Treppe hinauf und stürmt ins Büro. Die Kollegen sind konzentriert bei der Arbeit, recherchieren am PC oder telefonieren. Ramakers geht ungeduldig auf und ab.
Julia tritt an Sjoerds Schreibtisch: »Und? Schon was rausbekommen?«
»Ja, aber leider nichts über ihren derzeitigen Aufenthaltsort. Wir wissen, dass sie höchstwahrscheinlich mit einem Citroën unterwegs ist, mit einem hellblauen, mit Kindersitz. Der wurde am Tag ihres Verschwindens am Ortsrand von Sint Odilienberg gestohlen.«
»Und sonst?«
»Sie stammt aus Roermond und hat früher ganz in der Nähe von Ilse van Meerdonk gewohnt, die damals noch Beekman hieß. Gut möglich, dass sie sich kennen. Wir haben die van Meerdonks schon angerufen, sie müssten demnächst hier sein. Über Dagmar selbst ist wenig herauszubekommen, denn straffällig geworden ist sie noch nie. Sie stammt aus einer wohlhabenden Familie. Ihre Mutter ist bei einem Autounfall umgekommen, der Vater ein paar Jahre später bei einem Raubüberfall. Schon damals hatte er einen Großteil seines Vermögens eingebüßt, bis auf ein Ferienhaus in Italien, das jetzt seinen Töchtern gehört. Dagmar hat nämlich eine Schwester, Cécile Dalhuijs-Vermeer. Sie wurde vor Kurzem aus dem Krankenhaus in Verbania entlassen, wo sie wegen einer Stichverletzung behandelt wurde. Ihr Mann, Edwin Vermeer, liegt noch dort.«
»Van Assendelft«, sagt Julia sofort. »Garantiert hat er sie bei ihren Verwandten aufgespürt. So weit ist die Sache klar. Ich verstehe bloß nicht, was es mit dem Baby auf sich hat. Warum schleppt sie die ganze Zeit ein fremdes Kind mit sich herum?«
»Mich macht vor allem stutzig, dass sie und die Mutter des Mädchens früher nur ein paar Straßen voneinander entfernt gewohnt haben …«, sagt Sjoerd.
In diesem Moment kommt Rietta herein, um das Ehepaar van Meerdonk anzukündigen.
»Bringen Sie die beiden bitte in den Verhörraum«, sagt Ramakers zu Sjoerd und Julia und macht eine auffordernde Geste.
»Wir sind schon unterwegs.«
Im Verhörraum stellen sie das Aufnahmegerät an und testen kurz, ob es auch funktioniert.
Wenige Minuten später werden Lunas Eltern hereingeführt: ein attraktives Paar wie aus dem Werbefernsehen, dem man den Wohlstand schon von Weitem ansieht. Er ist hochgewachsen, vielleicht etwas zu füllig, und trägt einen Nadelstreifenanzug, sie ist schlank und blond, trägt ein elegantes Kostüm und hat die Designer-Sonnenbrille wie ein Diadem ins Haar geschoben.
Erst als sie ihnen gegenübersitzen, bemerkt Julia die dunklen Augenränder Robert van Meerdonks, das nervöse Zucken um seinen Mund sowie die abgekauten Fingernägel und die ungesunde Blässe seiner Frau. Sie hat keine gestylten Werbefiguren vor sich, sondern zwei Menschen aus Fleisch und Blut, denen die Sorge um die kleine Tochter schlaflose Nächte bereitet.
Rietta bringt Kaffee und Tee, stellt die Becher mit einem freundlichen »Bitte sehr« auf den Tisch und verschwindet wieder.
Julia sieht zwei Augenpaare, die erwartungsvoll auf sie und Sjoerd gerichtet sind. Letzterer lehnt sich zurück und überlässt es ihr, den Anfang zu machen. Aber noch bevor sie etwas sagen kann, fragt Lunas Vater: »Gibt’s was Neues? Haben Sie unser Kind gefunden?«
»Noch nicht«, sagt Julia. »Aber wir kennen nun den Namen der Person, die Ihre Tochter entführt hat und bei der sie momentan ist.«
»Wer ist es? Und warum ist die Täterin noch nicht verhaftet, wenn Sie sie kennen?«
»Weil wir sie erst noch finden müssen. Wir wissen, was für ein Auto sie fährt, also werden wir sie früher oder später schnappen. Es wäre aber hilfreich, noch mehr über sie zu erfahren.«
»Und deshalb zitieren Sie uns extra hierher? Um uns zu sagen, dass Luna von einer Frau entführt wurde, über die Sie kaum etwas wissen? Was soll das?« Zornig schlägt Robert
Weitere Kostenlose Bücher