Am Helllichten Tag
van Meerdonk mit der flachen Hand auf den Tisch.
Seine Frau legt ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Reg dich nicht auf, Robert. Ich bin sicher, man hat uns nicht nur deswegen kommen lassen.« Fragend sieht sie Julia an und dann Sjoerd, der nach wie vor mit verschränkten Armen dasitzt und nun nickt.
»Sie sagen es. Wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie, Frau van Meerdonk, die Entführerin kennen, denn sie hat früher in Ihrer Nachbarschaft gewohnt. Sagt Ihnen der Name Dagmar Dalhuijs etwas?«
Ilse van Meerdonk zuckt zusammen und stöhnt auf.
Eine groß angelegte Fahndung wird eingeleitet. Sämtliche Streifenwagen erhalten den Auftrag, nach einer jungen Frau in einem hellblauen Citroën Ausschau zu halten.
»Ich vermute, dass Dagmar sich irgendwann mit Ihnen in Verbindung setzt, Frau van Meerdonk«, sagt Julia. »Entweder, um Luna zurückzubringen oder aber, um Lösegeld zu fordern. Ihr Festnetzanschluss wird ab sofort überwacht, sodass wir dabei sind, wenn sie anruft. Es kann aber auch sein, dass sie nicht telefonisch, sondern direkt Kontakt zu Ihnen aufnimmt. Das könnte ich mir sogar eher vorstellen. Sie sollten also nicht zu Hause neben dem Telefon sitzen, sondern sich ganz normal verhalten, einkaufen, spazieren gehen und so weiter.«
»Und was unternehmen Sie in der Zwischenzeit?«, will Robert van Meerdonk wissen. »Meine Frau bekommt doch sicher Polizeischutz, damit sofort eingegriffen werden kann, wenn diese Person sich ihr nähert?«
»Leider haben wir nicht genug Leute, um ständig jemanden dafür abzustellen«, sagt Julia. »Aber wir geben Ihnen einen als Handy getarnten Sender mit, bei dem Sie unauffällig eine Taste drücken können. Damit aktivieren Sie ein GPS -System, sodass wir im Fall des Falles gleich vor Ort sind. Aber wir hoffen natürlich, dass wir die Frau vorher finden. Alle Polizeieinheiten des Landes sind informiert.«
»Dann gehen wir jetzt am besten nach Hause«, sagt Ilse van Meerdonk nach längerem Schweigen. »Vielleicht hat sie ja schon versucht, uns zu erreichen. Obwohl ich das Gefühl habe, dass wir unsere Luna nie wiedersehen.« Sie schluckt mehrmals. »Das ist dann meine Strafe …« Ihre Augen werden feucht, die Lippen zittern.
Julia sieht sie fragend an.
»Strafe? Wofür denn?«
Ilse beginnt zu erzählen …
Was nun ans Licht kommt, macht deutlich, dass Dagmar sich völlig in etwas verrannt hat und dringend Hilfe braucht. Aber auch, dass große Gefahr für das Kind besteht, weil Menschen in diesem Zustand dazu neigen, unüberlegt und unberechenbar zu handeln.
38
Imposante Villen inmitten großer Gärten hinter schmiedeeisernen Zäunen – eindeutig das Nobelviertel von Venlo, wo hauptsächlich der Geldadel und gut verdienende Akademiker wohnen.
Langsam fährt Nathalie die stille Straße entlang, passiert das Anwesen der van Meerdonks und hält ein Stück weiter. Das ist also Robbies Elternhaus: Sie betrachtet es aus einiger Entfernung.
Schuldgefühle hatte sie bisher nicht. Die Aufrufe im Fernsehen, in denen die verzweifelten Eltern baten, der Entführer möge ihnen ihr Kind zurückgeben, haben sie kaltgelassen. Von Vincent hat sie gelernt, auf Distanz zu gehen, sich ganz auf ihr Vorhaben zu konzentrieren und alles andere zu ignorieren, auch die eigenen Gefühle.
Um die Eltern des Babys, das sie von Anfang an Robbie genannt hat, mürbe zu machen, hatte sie erst einmal eine Woche vergehen lassen.
Vincent hatte nichts dagegen gehabt, als sie mit dem Kind ankam, vorausgesetzt, es verhalte sich ruhig, denn Geplärre und Gezeter vertrage er nicht. Die Entführung sei ihre Idee gewesen – solche Dinge fielen nicht in sein Ressort –, also solle sie zusehen, wie sie das geregelt kriege.
Tage- und vor allem nächtelang trug Nathalie das Kind auf dem Arm herum, tröstete es, wenn es jammerte, und stellte zu ihrer Verblüffung fest, dass sie eine Art Bindung zu ihm entwickelte.
Als Robbie sie zum ersten Mal anlächelte, wurde ihr klar, dass sie ihm nie etwas zuleide tun könnte.
Sie hatte nie vorgehabt, das Kind zu behalten oder Lösegeld zu fordern, doch Vincent meinte nach einer Woche, das sei doch eine gute Möglichkeit, schnell an eine größere Summe zu kommen.
»Am besten, wir verleihen der Forderung ein bisschen Nachdruck, damit sie gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen.« Er hatte sein Schnappmesser gezückt. »Ein Finger dürfte genügen. Du wirst sehen, die zahlen im Handumdrehen. Großer Gott, kann das elende Balg nicht mal die Klappe
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