Am Horizont die Freiheit
Moment, war der Henker die Autorität.
Die Soldaten fielen über Joan her, und nachdem man ihm ein paar Schläge versetzt hatte, beförderte man ihn mit Fußtritten in Richtung der Volksmenge. Die Leute lachten und beschimpften ihn. Das war ein kleines Zwischenspiel, während man auf das hauptsächliche Spektakel wartete. Felip stand in der ersten Reihe und nutzte die Gelegenheit, um ihm eine Kopfnuss zu geben, wozu er sagte: »Wie dumm du bist,
remensa
!«
Der ganze Schmerz, den Joan in diesem Augenblick empfand, und seine ganze Niedergeschlagenheit verwandelten sich sogleich in heftige Wut.
»Du Hurensohn, du verkommener Kerl!«, schrie er ihn an. »Sie waren wie Eltern zu uns!«
Er packte Felip so kräftig am Wams, dass die Nähte krachten und beinahe aufgeplatzt wären.
»Geh doch zum Teufel«, antwortete der andere und versetzte ihm einen Fausthieb.
Aber der Schlag erreichte nicht sein Ziel, weil Lluís, der aufgepasst hatte, ihn in der Luft abwehrte. Felips Freunde stürmten hinzu, um ihn zu verteidigen, und man schrie und stieß sich gegenseitig, bis die Soldaten herbeieilten, um Ordnung zu schaffen. Lluís zog Joan fort.
»Bist du verrückt geworden?«, sagte er. »Es ist nicht ratsam, derart aufzufallen.«
Doch die Leute kümmerten sich nicht um sie. Alle warteten schweigend und beobachteten gespannt den Henker und seinen Gehilfen, die ihre Arbeit erledigten. Er begann mit Señora Corró, und wie es schien, hörte man ein schwaches Röcheln, als der Henker mit dem Stock und dem Strick um ihren Hals schnell eine Würgschlinge herstellte. Die Büßermütze fiel zu Boden, und kurz danach tat es auch der erschlaffte Körper Señora Corrós. Hierauf folgten ihr Mosén Corró und der andere Mann in den Tod.
Die Mönche stimmten einen Gesang an, während die Soldaten den Scheiterhaufen anzündeten. Bald züngelten die Flammen inmitten einer Rauchwolke empor. Die Soldaten nahmen die Hanfpuppen, trugen sie die Stufenreihe hoch und warfen sie von oben ins Feuer, das sie mit aufblitzenden Funken und glühenden Ascheteilchen empfing. Bald brannten sie lichterloh. Die Zuschauer sangen gemeinsam mit den Mönchen. Aber auf einmal stürzte eine Frau mit ausgebreiteten Armen zum Scheiterhaufen, und als sie zum Feuer kam, kniete sie nieder und flehte mit lauten Schreien um Vergebung ihrer Sünden. Dies war gewissermaßen ein Signal, um eine allgemeine Hysterie zu entfesseln. Zahlreiche Versammelte begannen zu schreien, andere schlugen sich an die Brust, manche rutschten auf Knien. Alles diente dazu, Buße zu tun. Mehrere Männer warfen ihre Mäntel auf den Boden, entblößten sich den Rücken, zogen Peitschen mit vielen Spitzen aus dem Gürtel und geißelten sich. Joan beobachtete die Inquisitoren. Sie schienen beglückt von dem Tumult. Als die Leichen ins Feuer geworfen wurden, brannte der Scheiterhaufen schon vollständig. Die Körper wogen schwerer als die Hanfpuppen und schlugen kräftig auf, so dass viele Funken und glühende Ascheteilchen zum Himmel emporflogen. Bald vereinte sich der Geruch verbrannten Fleisches mit dem Fäulnis- und Verwesungsgestank des Ortes.
Als die Menge das Vesperläuten von den Glockentürmen der Stadt hörte, machte sie sich auf den Rückweg. Allmählich erlosch das Feuer.
»Gehen wir endlich«, sagte Meister Guillem. »Seit dem Frühstück haben wir nichts gegessen.«
Joan bemerkte nun, dass der Tag zu Ende ging und dass er auch noch nichts gegessen hatte. Aber das machte ihm nichts aus. Er sagte, er werde noch etwas länger bleiben.
»Gib acht, dass dich nicht die Komplet überrascht«, warnte ihn Lluís. »Dann schließt das letzte Tor, und du müsstest die Nacht außerhalb der Stadt verbringen.«
Nur noch der Henker und zwei Soldaten blieben übrig. Es wurde Abend, und Joan starrte weiter in die Glut. Die Augen füllten sich ihm mit Tränen, wenn er an die Corrós und an die Liebe dachte, die sie ihm entgegengebracht hatten.
»Ich bin schuld«, sagte er sich immer wieder.
Joan erschrak, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er hatte geglaubt, allein zu sein. Als er sich umdrehte, sah er Bartomeu. Der Mann schwieg. Sie hörten, wie sich die heulenden Wölfe immer mehr näherten. Die Tiere kamen von den Bergen nach El Canyet hinunter.
»Sie sind durch meine Schuld umgekommen«, wiederholte Joan.
»Nicht nur durch deine Schuld«, erklärte der Kaufmann nach einer Weile. »Sie sind durch die Schuld dieses erbärmlichen Felip und all jener umgekommen, die die
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