Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
Inquisition zum Reden gebracht hat. Und auch durch die Schuld der Übrigen. Wir wussten, dass sie gute Menschen waren. Wir haben geschwiegen und uns versteckt. Sie sind durch die Schuld der Angst und des Schreckens umgekommen, die sich in der Stadt verbreitet haben.«
    Kurz darauf setzte er hinzu: »Aber du, Joan, du warst der Einzige, der den Mut hatte, sie hier, am Scheiterhaufen, um Vergebung zu bitten.«
    Er ließ einige Zeit verstreichen, damit Joan seine Worte begriff. Er packte ihn liebevoll an der Schulter und sagte: »Gehen wir. Gleich läuten sie die Komplet ein.«
    Diesmal widersetzte sich Joan nicht. Im Halbdunkel des Sonnenuntergangs an diesem tragischen Wintertag ließen sie die rauchende Asche und den widerwärtigen Gestank von El Canyet hinter sich und kehrten nach Barcelona zurück. Unterwegs schwieg der Junge und weinte leise vor sich hin. Der Kaufmann legte ihm den Arm um die Schulter und tröstete ihn.
    »An dem schrecklichen Tag, als ich die Corrós verlor, habe ich Bartomeu wiedergewonnen«, schrieb Joan in dieser Nacht.

53
    Barcelona, 6 . Januar 1492
    D ie Glocken der Kirchen Barcelonas läuteten an diesem Morgen fröhlich, und auf den Straßen beglückwünschten sich die Leute gegenseitig. Endlich konnten sie die große Neuigkeit feiern, die man seit so vielen Jahren nicht nur in den Königreichen Isabellas und Ferdinands, sondern in der gesamten Christenheit erwartet hatte. Man hatte Granada eingenommen.
    Trotz des Elends, unter dem Barcelona litt, hatte es seit Kriegsbeginn mit einem großen Truppenaufgebot, das sich aus all seinen Gesellschaftsschichten zusammensetzte, den Kampf unterstützt. Man hatte Bullen gedruckt, die Ablass für Lebende und Tote verkündeten, und die Bürger kauften sie, um für ihre Sünden zu büßen, womit sie zugleich den Krieg finanzierten. Schließlich wurden all diese Anstrengungen belohnt, und in den Kirchen stimmte man ein
Te Deum laudamus
an, um dem Herrgott zu danken.
    Seit dem tragischen Ende des Ehepaars Corró und der Verhaftung ihres Sohnes waren schon beinahe drei Jahre vergangen. Es waren unheilvolle Zeiten, in denen Joan nicht nur die Menschen verloren hatte, die er wie seine Familie liebte, sondern auch sein Meisterstück eingebüßt und keine Buchhandlung mehr hatte, in der er arbeiten konnte. Seine Bemühungen, eine Anstellung zu finden, die mit Büchern zu tun hatte, blieben erfolglos. Viele Buchhändler waren Konvertiten, die der aufmerksamen Kontrolle der Inquisition unterlagen und keine Beziehungen zu jemandem haben wollten, der verbotene Bücher kopiert hatte. Sein Freund Lluís hatte mehr Glück, denn er konnte sich an entfernte Verwandte wenden, die ebenfalls Buchhändler waren und ihn aufnahmen.
    Ein Lichtblick war, dass Meister Eloi nicht die schicksalhafte Hilfe vergessen hatte, die ihm die beiden Brüder bei dem Unfall mit der großen Glocke geleistet hatten. Er hatte sich täglich bei Gabriel nach der Tragödie der Corrós erkundigt. Als die Flammen endgültig das Band der Treue zerstörten, das Joan mit seinen Herrschaften vereint hatte, schlug ihm Meister Eloi vor, bei ihm als Lehrling zu arbeiten. Er versprach, ihm zu helfen, schnell den Meistertitel erwerben zu können. Der Meister schätzte an dem Jungen nicht nur die guten Eigenschaften, die er bei dem Unfall in der Werkstatt bewiesen hatte, sondern hatte auch das schöne Meisterstück bewundert, das die Corrós auf dem Ladentisch der Buchhandlung ausgestellt hatten.
    Joan musste oft Spottreden aushalten, denn jede Zunft war gewöhnlich auf sich selbst stolz, und das galt besonders für die Verbände der Metallarbeiter. Sie stellten ja die Werkzeuge her, mit denen die übrigen Zünfte arbeiteten, und die Waffen, mit denen sich die Stadt verteidigte. Für Joan sprachen trotzdem die Erinnerung an den Unfall in der Schmiede und der Ruf, mit Steinen und Fäusten geschickt umzugehen. Als er vor drei Jahren seine Lehre als Gießer begonnen hatte, war er außerdem schon groß und kräftig gewachsen, und er überragte nicht nur die übrigen Lehrlinge, sondern auch mehrere Meister. Er flößte Respekt ein.
    Mosén Bartomeu wusste, dass er selbst der Inquisition verdächtig war. Darum schränkte er seinen Handel mit Büchern ein und konnte Joan keine Arbeit verschaffen. Aber er kaufte Abdalá dem heiligen Offizium ab. Dieser stellte seine Kenntnisse und sein Wissen freudig in den Dienst seines neuen Herrn.
    Meister und Lehrling waren tief gerührt, als sie sich in Bartomeus Haus trafen.

Weitere Kostenlose Bücher