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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Eltern zu widersetzen. Inzwischen war sie schon siebzehn Jahre alt, und nur die lange Schiffsreise, die die Roigs unternommen hatten, bis sie in Neapel eintrafen, und die neuen, fremden Verhältnisse hatten bisher verhindert, dass ihre Familie den geeigneten Bewerber gefunden hatte.
    Joan war glücklich und bekümmert zugleich. Sie wartete auf ihn, und er konnte Barcelona nicht verlassen! Die Flotte des verfluchten Vilamarí war seit Jahren nicht vor der Stadt aufgetaucht. Und es war Wahnsinn, loszufahren, um sie zu suchen. Wenn Nachrichten eintrafen, dass die Flotte in einem Hafen ankerte, befand sie sich tatsächlich schon in einem weitentfernten anderen. Joan konnte sich nicht erlauben, ihr durchs ganze Mittelmeer zu folgen. Ihm blieb nur die Wahl, entweder zu warten oder auf die Befreiung seiner Mutter und seiner Schwester zu verzichten.
    »Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten«, schrieb er in sein Buch. »Inzwischen werde ich so viel für die Reise sparen, wie ich kann.«
     
     
    An dem Tag, als die Einnahme Granadas gefeiert wurde, schloss sich die Glocke der Werkstatt Eloi Senants fröhlich dem Läuten der anderen in den Kirchen der Stadt an, und Gabriel war es, der sie erklingen ließ. Der Junge würde bald achtzehn Jahre alt sein. Er war ein hochgewachsener und gutaussehender junger Mann, allerdings weniger kräftig als sein Bruder.
    Joan blieb nur noch eine Woche bis zu seinem zwanzigsten Geburtstag. Er rasierte sich und trug das Haar halblang, wie es der Mode in Barcelona entsprach. Doch Augenbrauen, Nase und Kinn, die stark entwickelt waren, und sein katzenhafter Blick erinnerten ihn, wenn er in den Spiegel schaute, an seinen Vater. Seine früher gerade Nase war leicht gekrümmt, was von einem seiner Kämpfe herrührte, ohne dass er sich erinnern konnte, von welchem. Das ließ ihn gefährlich aussehen, was seine Anziehungskraft auf die Mädchen erhöhte, die er jedoch lediglich mit seinen Blicken abschätzte, ohne eine Initiative zu ergreifen. Er fühlte sich weiterhin übermächtig an Anna gebunden.
    Er hatte seine besten Sachen angezogen und scherzte mit den übrigen Handwerkern der Werkstatt. Alle warteten darauf, dass Gabriel mit dem Glockenläuten fertig wurde, damit sie unter der Führung ihres Dienstherrn zum Carmen-Kloster laufen konnten.
    »Hoch leben König Ferdinand und Königin Isabella!«, rief Meister Eloi, als er mit seiner Gruppe loslief.
    Die Übrigen taten es ihm nach.
    Die Zünfte, die mit Gießereien und Metall zu tun hatten, riefen gemeinsam den heiligen Eligius an. Daher nannte man sie auch die »Elois«. Die Kapelle des Heiligen befand sich im Carmen-Kloster, doch es waren so viele Zunftgenossen, dass die Dankmesse für die Eroberung Granadas am Hauptaltar der Kirche zelebriert wurde, und viele mussten draußen vor dem Gotteshaus bleiben, weil der Platz nicht ausreichte.
    Die Zünfte, die zu den »Elois« gehörten, waren außer den Kanonengießern die Juweliere, die Schrotthändler, die Hersteller von Panzern und Rüstungen, die Armbrust- und Arkebusenmacher und die Dolchschmiede.
    Danach liefen Joan, sein Bruder Gabriel und ihre Arbeitsgenossen zur Kathedrale. Sie wollten sich die Prozession ansehen, in der die zivilen und religiösen Behördenvertreter vorbeizogen. Damit begannen verschiedene Festakte, deren Höhepunkt ein prachtvolles Feuerwerk war.
     
     
    Die Nachricht vom Fall des letzten muslimischen Reiches in Westeuropa breitete sich wie ein Lauffeuer in der Christenheit aus, die vom ständigen Vordringen der Türken im Osten bedroht war. In Rom gab es große Freudenfeiern, und Papst Innozenz  VIII . leitete trotz seiner Gebrechen eine feierliche Prozession. Der valencianische Kardinal Rodrigo Borgia nutzte den allgemeinen Jubel, um die Römer mit einem spanischen Schauspiel zu unterhalten, das in der Ewigen Stadt ungewohnt war: ein Stierkampf. Das machte einen extravaganten Eindruck, doch der listige Prälat nutzte wenige Monate später die Popularität, die alles Spanische durch die Einnahme von Granada gewonnen hatte, um als Alexander  VI . zum Papst gewählt zu werden.
    Dieser Tag, der in der Stadt ein fröhliches Fest war, war traurig für Abdalá, und er verbrachte ihn mit Fasten und Beten. Joan wusste dies, und am Nachmittag besuchte er seinen alten Meister.
    »Es ließ sich nicht verhindern, aber das lindert meinen Schmerz nicht«, sagte der Granadiner unter Tränen. »Die ganze Herrlichkeit, die ich gekannt habe, ist für immer untergegangen. Doch

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