Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
beauftragt, über die Sicherheit der Königin und des Infanten zu wachen«, erinnerte sich der Bauer, während ein wehmütiges Lächeln über sein mageres und runzliges Gesicht huschte. »Ich war dreißig Jahre alt und König Ferdinand zehn. Es war eine große Ehre für einen Bauern wie mich.
    Königin Juana war eine charakterstarke und tapfere Frau. Doch ich erinnere mich, als einmal die Granaten so nahe bei der Stelle einschlugen, an der wir uns befanden, dass sich alles mit Staub überzog. Es war ein Wunder, dass uns die Splitter nur leicht verletzten. Die Königin verlor das Bewusstsein, und ich trug sie in meinen Armen zu ihrer Kammer, wo ein jüdischer Arzt sie wieder zu sich brachte. Prinz Ferdinand glaubte, dass seine Mutter tot sei. Das war das einzige Mal in diesen unerträglich langen anderthalb Monaten, dass ich ihn weinen sah.«
    Der Bauer machte eine Pause und trank einen Schluck Wein. Joan hörte ihm fasziniert zu und nippte an seinem Glas. Er sagte nichts. Er wartete, dass der Mann seine Geschichte weitererzählte.
    »Ich erinnere mich genau an diesen fünften Juni. Die Truppen der Generalitat täuschten einen Angriff gegen die Porta del Call vor, während andere Soldaten durch einen in der Nacht gegrabenen Gang in das Innere der Umwallung eindrangen. Sie stürzten hinein und riefen, La Força sei schon eingenommen. Die Königin rannte zum Prinzen, und ich lief ihr nach, zusammen mit zwei Rittern des Hofstaats. Wir kämpften Mann gegen Mann, mit Schild und Schwert. Die Ritter starben zwar, aber wir haben den Angriff zurückgewiesen. Und weißt du, was Prinz Ferdinand getan hat?«
    »Was?«
    »Obwohl er nur zehn Jahre alt war, zog er den Dolch und stellte sich vor seine Mutter, um sie zu beschützen.«
    »Wird Euch der König nach dreißig Jahren wiedererkennen?«
    »Zweifellos«, antwortete der Mann selbstsicher. »Und er weiß auch, dass er mir sechzig Sueldos schuldet. Manches vergisst man nie. Morgen gibt er eine Audienz im Königsschloss. Dann spricht er Recht wie jeden Freitag. Am Mittag macht er Schluss, und wir treffen uns am Ausgang, auf der Plaza del Rey.«
    Joan dachte darüber nach.
    »Also der Vater des Königs Ferdinand hat den Krieg gewonnen, weil ihr
remensas
für ihn gekämpft habt«, sagte er dann grüblerisch. »Wie kommt es dann, dass Pere Joan Sala, der Held der Belagerung von La Força, der Verteidiger der Königin und des Prinzen, auf den Straßen Barcelonas hingerichtet wurde?«
    »Als König Johann  II . die Kapitulation von Pedralbes unterzeichnete, die den Krieg beendete, beschloss er, mit den besiegten Aristokraten und der Generalitat großmütig zu sein, und uns hat er vergessen.«
    »Aber es war erst sehr viel später, als Granollers von Pere Joan Sala angegriffen wurde …«
    »Ja«, unterbrach ihn der Bauer. »Ich war mit ihnen zusammen. Wir haben uns erhoben, weil König Ferdinand für den Krieg von Granada Geld von den Herren annahm und ihnen als Gegenleistung wieder die schlechten Gebräuche bewilligt hat, die sein Onkel sechsundzwanzig Jahre zuvor aufgehoben hatte.«
    »Aber das ist Verrat!«, rief Joan.
    »Könige verraten nicht, sie haben nur wichtigere Gründe«, entgegnete Joan von Canyamars, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.
    »Was ist dann geschehen?«
    »Meine Herren schickten Soldaten zu meinem Haus, um von mir die rückständigen Zahlungen aus den letzten zwanzig Jahren zu verlangen. Ich hatte das Geld natürlich nicht. Sie banden mich und meinen Sohn an einen Baum und peitschten uns aus, bis wir das Bewusstsein verloren. Sie stahlen alles, was bei uns Wert hatte, Kühe, Hühner, Hausgeräte, und vergewaltigten meine Schwiegertochter und meine Enkelin. ›Damit du es lernst‹, sagten sie.«
    Er machte ein trauriges Gesicht, und seine müden Augen waren feucht. Er goss sein Glas voll und trank es in einem Zug aus.
    »Was habt Ihr getan?«
    »Wir schlossen uns Pere Joan Salas Truppen an, und am Anfang errangen wir große Siege gegen die Herren und die Truppen des Königs. Dann aber brach das Unheil von Llerona herein. Mein Sohn starb in der Schlacht. Ich konnte entkommen, war jedoch verwundet. Da ich meine Herren nicht direkt angegriffen hatte, erlaubten sie mir, mein elendes Leben zusammen mit meiner Schwiegertochter und meiner Enkelin weiterzuführen. Pere Joan Sala wurde gefangen genommen, und das Übrige weißt du schon.«
    »Aber der König hat das mit dem Urteilsspruch von Guadalupe korrigiert«, sagte Joan. »Es gibt keine schlechten

Weitere Kostenlose Bücher