Am Horizont die Freiheit
Kopf.
»Du hast immer noch nicht begriffen, wo du bist«, sagte er.
Die Stadt begrüßte die Flotte mit Artilleriesalven, und diese antwortete mit den gleichen Ehrenbezeigungen. Eine Abordnung Honoratioren traf in einer Schaluppe beim Admiralsschiff ein. Sie teilten ihnen mit, dass vor kurzem einige Schiffe und Küstenstädte von Berbern überfallen wurden. Der Admiral hatte es nicht eilig, nach Neapel zu kommen, und in den Reihen der Ruderknechte verbreitete sich bald die Nachricht, dass die Flotte nach Süden fahren werde, wo sie die Piraten finden wolle, um das Meer von ihnen zu säubern. Vilamarí war nicht nur Herr von Palau am Golf von Rosas, sondern auch Baron von Bosa, einer Ortschaft südlich von Alghero. Er hatte gute Gründe, mit den Berbern abzurechnen.
Sie verbrachten die Nacht in den ruhigen Gewässern der Bucht von Alghero. Am nächsten Tag versorgten sie sich mit Wasser und Proviant. Bevor der Admiral mit seinem Auftrag begann, befahl er, Manöver zu erproben, bei denen man rasche Wendungen, plötzliches Anhalten und Rückwärtsbewegungen ausführen musste.
Joan sah ein, dass er bisher nur geruhsame Rudermanöver erlebt hatte. Bald erlernte er neue Befehle, die mit Hornsignalen übermittelt wurden, und machte sich mit den unterschiedlichen Ruderrhythmen vertraut. Das Schiff war eine riesige Kriegsmaschine, die sich dank des erstaunlichen Zusammenwirkens ihrer beinahe zweihundert Ruderer präzise bewegen konnte. Es war nicht leicht, diese Schiffe zu koordinieren, denn jeder Sträfling hatte ein eigenes Ruder.
Jede Nachlässigkeit wurde teuer bezahlt. Der Rudermeister war für das Rudern verantwortlich. Er lief im Mittelgang hin und her, erteilte Anweisungen und vergewisserte sich, dass sowohl die Aufseher als auch die Ruderer ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllten. Und die Aufgabe des Aufsehers oder stellvertretenden Rudermeisters war es, die Ruderer zu bestrafen, die einen Befehl verspätet ausführten oder nicht die nötige Kraft einsetzten.
Die Kapitäne wetteiferten miteinander, indem sie Schiffsrennen veranstalteten, und die Sträflinge mussten mit voller Kraft rudern. Das zwang sie, die Rudergeschwindigkeit zu verdoppeln und vier Ruderschläge pro Minute auszuführen. Das war eine erschöpfende Anstrengung, und wenn die Kapitäne und Offiziere nachher ihren Sieg feierten oder ihre Niederlage verfluchten, brachen Joan, Carles und ihre Gefährten entkräftet und schweißbedeckt auf ihren Bänken zusammen.
»Die Kapitäne könnten doch miteinander wetteifern, indem sie ein Rennen am Strand veranstalten, anstatt uns damit zu schinden«, beklagte sich Carles.
Joan konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er sich die Szene ausmalte. Doch der Junge machte ihm Sorgen. Immer schien er am Rand seiner Kräfte zu sein. Es überraschte Joan, dass er dieses Tempo überhaupt durchhielt. Allerdings ließ er manchmal nach, und dreimal bekam er die Peitsche Garaus zu spüren.
Joan hatte am ersten Manövertag zwei Peitschenhiebe auf den Rücken bekommen, und seine Füße waren schrundig und eiskalt. Die Ruderknechte befanden sich auf dem niedrigsten Teil des Decks. Die Wendungen des Schiffs und die etwas aufgewühlte See setzten sie den Wellen aus, die sie oft durchnässten. Ihre Belohnung für das harte Tagewerk waren ein zusätzlicher Napf Kichererbsen-Eintopf am Mittag und eine doppelte Wasserration.
Beim Abendessen verbreitete sich die Nachricht flüsternd von Bank zu Bank: Ein Ruderknecht war an der Anstrengung gestorben. Joan erschauderte, aber er aß weiter. Er wollte überleben.
Es dämmerte. Als Vilamarí mit der Manövrierfähigkeit seiner Schiffe zufrieden war, wurde für die Offiziere und die Stadtbehörden an Land eine Messe gelesen. Man verabschiedete sie mit Pauken, Trompeten und Geschützsalven.
An der Mündung des Flusses Temo hielten sie an und verbrachten dort zwei Tage, da der Admiral seine Angelegenheiten als Baron von Bosa erledigen musste, einer Ortschaft, die eine kurze Strecke flussaufwärts lag.
Dann fuhr die Flotte weiter nach Süden und sichtete mehrere Handelsschiffe. Diese wurden überprüft, und man erkundigte sich nach Neuigkeiten. Am zweiten Tag der Fahrt erblickten sie beinahe an der Südspitze Sardiniens die Inseln San Pietro und Sant’ Antioco, die von kleineren Eilanden umgeben waren, die sich als ideale Piratenverstecke eigneten. Sie gelangten zur kleinen Isola Piana im Norden von San Pietro, und der Admiral befahl, dass die zwei kleineren Galeeren an
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