Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
Vom Netzwerk:
hielt eine Azcona, deren Gewicht und Aussehen weitgehend mit der seines Vaters übereinstimmte. Mit ihr in der rechten Hand, den Schild in der linken und dem umgegürteten Degen lief er auf dem Mittelgang an dem Pfarrer vorbei, der immer noch betete, und entfernte sich von der feindlichen Galeere, um das Kampanjedeck des eigenen Schiffs zu erreichen.
    Er betete zu Gott, dass er ihm die so sehr herbeigesehnte Gelegenheit vergönnen würde, Vilamarí zu töten. Doch als er den Admiral und den Kapitän erblickte, beobachteten diese nicht das von Torrent befehligte Entern, sondern eine zweite französische Galeere, die parallel zu ihrer Gefährtin fuhr und auf Kollisionskurs zur Steuerbordseite der
Santa Eulalia
kam.
    »Hierher, Männer!«, rief der Kapitän. »Sie entern uns an Steuerbord!«
    Die Ruderknechte versteckten sich unter den Bänken, und Joan rief seine Arkebusiere herbei. Alle sprangen von der entgegengesetzten Seite des Mittelgangs zu der, die sich gegenüber der feindlichen Galeere befand, um sich vor dem Artilleriefeuer zu schützen. Dies geschah in wenigen Augenblicken. Unmittelbar darauf hörte man mehrere Donnerschläge und danach einen Chor von Klagerufen. Erstickender Pulvergeruch breitete sich aus. Joan legte gerade seine Hand an die Wange, um sich einen Holzsplitter herauszuziehen, als er den Aufprall des feindlichen Schiffes spürte, der ihn beinahe zu Boden gerissen hätte. Er hörte das Spantenwerk krachen.
    »Die sechs Ersten, macht euch bereit!«, rief er, während er merkte, wie ihm das Blut übers Gesicht lief.
    Er wartete, bis die Arkebusen der Angreifer feuerten und die Enterhaken laut an das Holz schlugen. Dann befahl er: »Feuer!«
    Seine Männer standen auf, um auf die französischen Seeleute zu schießen, die schon über ihren Rammsporn zum Entern liefen. Joan sah, dass drei von ihnen ins Wasser stürzten, und er befahl: »Die nächsten sechs.« Er wartete einen Augenblick und rief: »Feuer!«
    Die Männer standen auf und trafen weitere vier. Als der Rudermeister den Armbrustschützen zu schießen befahl, hatten sie ihre Feinde schon am Hals. Es blieb keine Zeit, die Waffen nachzuladen. Der Kampf tobte inzwischen auf der
Santa Eulalia
Mann gegen Mann.
    Joan hielt noch die Azcona in der Hand und suchte mit den Augen nach dem Admiral. Er sah, dass er ein paar Bänke weiter auf dem Kampanjedeck stand. Er wurde von zwei Matrosen beschützt und hatte den Degen gezogen. Er wusste, dass er und der Kapitän das Ziel der Angreifer waren.
    Joan wich dem Kampf aus. Er sprang von Bank zu Bank und näherte sich Vilamarí. Davon hatte er so oft geträumt! Wie die Azcona seines Vaters in ein Auge des Admirals eindrang, seinen Schädel durchbohrte und sich gerade in jenen Mast rammte, an dem er Carles hatte aufhängen lassen.
    Joan kam zu ihm, als dieser gerade mit dem Rücken zu der Wand stand, die die letzten Bänke vom Kampanjedeck trennte, und sich gegen zwei Feinde verteidigte. Er war eingekreist. Joan würde ihn ungestraft töten können. Alle würden denken, dass es die Franzosen getan hatten. ›Jetzt oder nie!‹, sagte er sich und hob den Arm gegen Vilamarí. Der Admiral, der schwitzte und verzerrte Gesichtszüge hatte, teilte Hiebe aus und wehrte andere ab. Kurze Zeit wanderte sein Blick weiter und bohrte sich in Joans Augen. Es war nur ein kurzer Moment. Dann wandte sich Vilamarí wieder seinen Gegnern zu, die ihn zwischen den einzelnen Hieben aufforderten, sich zu ergeben.
    »Ich ergebe mich nicht!«, antwortete der Admiral.
    Der Junge spürte einen Kloß im Hals. Er blieb kurz mit der hocherhobenen Waffe stehen und stellte sich vor, wie sie in seinem Opfer stecken würde. Da begriff er, dass er nicht den Mut hatte, den Admiral mit seiner Azcona zu durchbohren. Er wusste nicht, ob es ihr einander begegnender Blick war, der ihn daran hinderte, oder ob ihn der Admiral allmählich für sich eingenommen hatte und ihn zwang, ein Räuber seines Schlages zu werden – ein Löwe, wie der Admiral es nannte. Auch wusste er nicht, ob Vilamarí das Todesurteil in seinen Augen erkannt hatte oder nicht.
    Joan wusste nur eines: Er durfte nicht zulassen, dass der Admiral getötet würde. Vilamarís Blick ging über Joans Schulter. Dieser drehte sich rasch um, und mit seiner ganzen Wut schleuderte er seine Azcona in die Brust des Angreifers. Dann zog er den Degen, und er und Vilamarí griffen gemeinsam die restlichen Feinde an, die, als sie sich auf beiden Seiten bedrängt sahen, in den Fluss sprangen.

Weitere Kostenlose Bücher