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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Offiziere, die Gefangenen sehen durfte. Er besuchte Antonello und beichtete mehrmals beim Priester der Galeere. Luccas Tod peinigte ihn. Er war zwar erleichtert, als er es dem Geistlichen erzählte, aber die Absolution, die ihm dieser gab und die von Bußübungen abhing, war ihm nicht genug. Der Pfarrer sagte, das sei eine Kriegshandlung gewesen, und er vergebe ihm in Gottes Namen. Nur sich selbst konnte er nicht vergeben. Er hatte genug Zeit, um nachzudenken und in sein Buch zu schreiben. In den letzten Stunden hatte er zu viel erlebt, und es kostete ihn Mühe, seine Gefühle in Schriftzeichen umzusetzen: »Herr, nimm Riccardo Luccas Seele in dein Reich auf und vergib ihm seine Sünden.« – »Riccardo, Ihr wart ein tapferer und würdiger Mann. Ich bitte Euch um Vergebung für das, was ich Euch angetan habe, und für die niederträchtige Art, in der ich Euch getötet habe.« Den letzten Satz hätte Joan beinahe gelöscht, indem er ihn in seinem Buch ausradierte. Denn er wusste: Wenn sein Rivale noch am Leben wäre, wenn er sich noch zwischen ihn und Anna stellte, würde er ihn abermals töten. Schließlich schrieb er eine inständige Bitte nieder: »Herr, vergib mir meine Sünden und erbarme dich meiner Seele, wie auch immer das Duell endet.«
     
     
    Vor dem Treffen mit Torrent ging Joan auf die Karavelle, und trotz der Wachen, die ihn nicht durchließen, machte er Anna mit lauten Rufen auf sich aufmerksam: »Ihr sollt wissen, dass ich, wenn ich Euch nicht wiedersehe, für Euch gestorben bin! Ich liebe Euch, Anna!«
    Sie stießen ihn aus dem Lagerraum hinaus, und er konnte nichts mehr hinzufügen.

101
    A nna bereitete die Gefangenschaft im Lagerraum der Karavelle unerträgliche Pein. Sie erinnerte sich immer wieder an das Gespräch mit Riccardo über Joan, das unterbrochen wurde, als der Ausguckposten verkündete, dass sie von spanischen Galeeren verfolgt wurden.
    Sie wusste, dass sie noch viel zu besprechen hatten, und sie fürchtete diese bevorstehende Unterhaltung. Sie merkte, was ihr Mann dachte, wenn er ihr an Deck strenge, schmerzerfüllte Blicke zuwarf, während er sich mit dem Kapitän und den übrigen Kämpfern darum kümmerte, die Verteidigung vorzubereiten. Sie umarmte Riccardo, als sie sich verabschiedete, weil der Angriff unmittelbar bevorstand und sich die Damen, Kinder und Greise in den Lagerraum zurückzogen. Er reagierte zunächst nicht, doch später lockerte er seine Anspannung und wiegte sie sanft in seinen Armen. Als sie sich trennten, blickte er sie eindringlich mit seinen dunklen Augen an, die feucht wurden, während er ihr sagte, dass er sie liebe.
    Anna erlebte den Angriff im Lagerraum. Voller Angst und Gewissensbisse betete sie laut zusammen mit den Übrigen, während das Schiff unter den Kanonenschüssen, dem Ansturm der Galeeren, dem Krachen der Musketen und Granaten, dem Hin und Her und dem Gebrüll des Kampfes auf Deck erbebte. Nach einer Weile beruhigte sich das Getöse, und als lautes Siegesgeschrei ertönte, wurde ihr klar, dass die Anjou-Anhänger verloren hatten.
    Mehrere bewaffnete Unbekannte zwangen sie danach, an Deck hochzusteigen, und dort steckte man sie mit den gefangenen Seeleuten und Soldaten zusammen. Riccardo war nicht dabei, und sie ahnte das Schlimmste.
    Als alle zusammengetrieben waren, beanspruchte ein dicker blonder Offizier, der unangenehm und protzig wirkte, sie als Sklavin. Vor Ekel drehte sich ihr der Magen um. Doch überrascht erkannte sie nun Joan unter den feindlichen Soldaten. Er blickte sie an. Sie war nicht auf den Gedanken gekommen, dass er zu den Angreifern gehören könnte. Der junge Mann trat aus der Gruppe hervor, um sich dem Offizier entgegenzustellen. Sie forderten sich mit lauten Rufen heraus, und bevor Joan den Degen zog, erklärte er seine Liebe zu ihr. Doch ein Mann, der offenbar der oberste Anführer war, unterbrach die beiden, und da erfuhr sie, dass sich die zwei duellieren würden.
     
     
    Die spätere Gefangenschaft im Lagerraum, als die Schiffe nach Neapel fuhren und schließlich in der Bucht ankerten, war für sie entsetzlich. Riccardos Tod wurde bestätigt, und ihre Gewissensbisse nahmen zu, während sie gleichzeitig zu spüren bekam, dass ihre Gefährten, die Joans Worte gehört hatten, sie kühl behandelten. Sie redeten nicht mit ihr und wichen ihr aus. Als sich Joan später laut verabschiedete und erklärte, er liebe sie und sei bereit, für sie zu sterben, beschämte sie dies noch mehr. Sie war bedrückt. Unaufhörlich weinte

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