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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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vorsichtig auswich. Der junge Mann dachte, dass gerade dieses Überlegenheitsgefühl seines Ausbilders diesem zum Nachteil gereichen könnte. Nun griff ihn Torrent mit Stößen an, die Joan mit Degen oder Schild abwehrte, wobei er sich stets zu einer Seite drehte, ohne aus der Deckung zu gehen. Er konzentrierte sich darauf, eine Deckungslücke bei seinem Rivalen zu suchen. Der Offizier war schon mit ungefähr zwanzig Hieben und mehreren effektvollen Finten auf ihn losgegangen, und Joan hatte noch nicht einmal angegriffen. Da kombinierte Torrent eine Reihe von Hieben, die den jungen Mann zu einer der Fackeln zurückweichen ließen, und beinahe hätten sie es erreicht, dass er aus dem Kreis herausgetreten wäre. Doch er konnte zur Seite ausweichen und sich aus der bedrängten Lage befreien.
    »Deine Verteidigung ist sehr gut, Junge«, sagte Torrent. »Aber mal sehen, wie du angreifst.«
    Joan kümmerte sich nicht darum und verteidigte sich weiter. Er merkte, wie der Offizier keuchte, und dachte, dass es ihm die fünfzehn Jahre Altersunterschied ermöglichten, mit seinen Kräften besser hauszuhalten. Die Zeit wirkte sich zu seinen Gunsten aus. Torrent langweilte sich offenbar und begann mit einer ununterbrochenen Reihe von Angriffen, die er entweder direkt oder mit einer Finte vortrug, um ihn zu täuschen. Aber Joan bewegte sich weiter und drehte sich in die eine oder andere Richtung, er wich ihm aus oder hielt ihn mit seiner Verteidigung auf.
    »Greif endlich an!«, schrie er ihn zum Schluss wütend an.
    Doch Joan ließ sich nicht durcheinanderbringen. Es stand zu viel auf dem Spiel, und er sehnte sich nicht nach Fechterruhm. Mochte sich Torrent profilieren – er wollte nur gewinnen. So kam es, dass der Offizier weiter angriff, und obwohl er Joan manchmal an die Grenzen des Feldes drängte, konnte dieser immer ausweichen. Er sah, wie Ermüdung und Langeweile seinem früheren Ausbilder zusetzten, und wartete auf dessen nächsten Angriff. Doch plötzlich, völlig unvermittelt, stürzte Joan sich auf ihn und versetzte ihm Hieb auf Hieb, wobei er ihm nicht einmal Gelegenheit zu einem seitlichen Schritt gab. Der andere konnte nur zurückweichen. Lichtfunken erglühten in der Nacht, als Torrent mit dem Rücken gegen eine Fackel stieß. Er riss sie zu Boden und trat über den Kreis, von Joan bedrängt, der in seinen Angriffen nicht nachließ.
    »Hör auf!«, rief der Admiral. »Du hast gewonnen!«
    Aber Joan machte weiter.
    »Bleib stehen, du verdammter Verrückter!«, keuchte Torrent. »Die Frau gehört dir.«
    Erst jetzt hielt Joan inne. Er warf seine Waffen auf den Boden. Ohne sich um die ihn umringenden Leute, unter ihnen Genís, zu kümmern, die ihn beglückwünschten, kniete er nieder und bekreuzigte sich, um zu beten.
    Als sein Blick wieder auf den Torrents traf, stellte er fest, dass dieser ein finsteres und angespanntes Gesicht machte. Der Offizier ging zu ihm und sagte: »Das hast du sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.«
    Und Torrent schloss Joan in die verschwitzten und übelriechenden Arme.
    »Ich gratuliere dir, Junge«, erklärte der Admiral mit ernster Miene. »Du hast den Kampf ehrlich gewonnen. Heute Nacht kommen wir im Rat zusammen, um den Preis der Dame festzusetzen und zu entscheiden, welche Strafe dir auferlegt wird, weil du es gewagt hast, einen höheren Offizier herauszufordern. Morgen wirst du dein Schicksal erfahren.«

103
    J oan merkte, dass er zitterte, als ihn der Admiral am nächsten Morgen zu sich bestellte. Er wusste ganz genau, dass sein und Annas Schicksal von den Worten abhingen, die man nun sagen würde. Bernat de Vilamarí setzte sich auf die Bank am Ende des Kampanjedecks, neben ihm Pere Torrent, Genís Solsona und der Rudermeister. Joan blieb vor seinen Richtern stehen und wartete auf sein Urteil.
    »Joan Serra von Llafranc«, sagte Vilamarí feierlich. »Meine Galeeren richten sich nach Regeln, und ihr Ziel ist es, daraus die besten Kriegsschiffe des Mittelmeers zu machen. Die erste Regel ist der Grundsatz der Autorität und des Gehorsams. Da du dich gegen einen Offizier gestellt hast, hast du diese Regel verletzt und eine Strafe verdient. Es muss eine strenge Strafe sein, und deine Bestrafung hat öffentlich und exemplarisch zu sein.«
    Vilamarís Blick war hart, und Joan spürte einen Kloß im Hals. Er kannte dessen grausames und ungerechtes Autoritätsprinzip genau, und er dachte an Carles und seinen heldenhaften Tod. Gerechtigkeit war für den Admiral die Ordnung, die ihm

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