Am Horizont die Freiheit
kämpfen. Wenn du nicht wie eine Ratte fliehen willst.«
Diese Sätze beunruhigten Joan, und am Abend schrieb er in sein Buch: »Man wird kämpfen oder fliehen müssen. Miquel Corella wird kämpfen, und ich glaube nicht, dass er eine Fahnenflucht zulässt. Worauf lasse ich mich da ein?«
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J oan beschloss, seine Buchhandlung in der Nähe des Campo de’ Fiori einzurichten, wie es ihm Miquel Corella geraten hatte. In Rom gab es noch keine offiziell gegründete Zunft der Buchhändler, doch diese vereinigten sich in einer religiösen Bruderschaft, die ihren Sitz in der Kirche Santa Barbara alla Regola hatte. Darüber wunderte sich Joan nicht. Im Prinzip war es genauso wie in Barcelona. Als er erfuhr, dass eines der freien Häuser Vannozza dei Cattaneis an einer Ecke des Largo dei Librai lag, der zu dieser Kirche führte, während die Hauptstraße zum nur wenige Schritte entfernten Campo de’ Fiori weiterging, wusste er, dass dies der ideale Ort war. Der Largo dei Librai war ein langgestreckter kleiner Platz, der sich verengte und an der Santa-Barbara-Kirche endete. Diese schloss ihn in einer Sackgasse ab. Die Kirche war über dem antiken Theater des Pompejus erbaut. Der Name des Platzes kam daher, dass er der einzige Zugang zur Kirche der Buchhändler war und dass zwei weitere Buchhandlungen dort untergebracht waren. Die von Joan würde die dritte sein. Das machte ihm keine Sorgen, denn es war Tradition, dass sich die Kaufleute ihren Tätigkeitsbereichen entsprechend in bestimmten Straßen zusammenfanden. So wusste der Kunde, der ein Erzeugnis benötigte, in welche Gegend er gehen musste, um in den Genuss eines vielfältigen Angebots zu kommen.
Als er das Grundstück besichtigte, stellte er fest, dass er die Buchhandlung, eine Buchbinderei und nach einigen Umbauten auch eine Druckerei bequem unterbringen konnte. Mühelos konnte er den Vertrag mit Vannozza schließen. Diese nahm erfreut den Kreditbrief an, den ihm Innico d’Avalos ausgestellt hatte.
Joan wollte sich seinen nächsten Konkurrenten vorstellen, bevor er die Buchhandlung eröffnete. Er würde die Kirche der Buchhändler besuchen, und er vertraute darauf, dass sie ihn früher oder später in der Bruderschaft zuließen.
Im Allgemeinen wurde er mit kühler Höflichkeit empfangen, und er bemerkte, dass in einigen Fällen das Misstrauen über den bloßen Ärger hinausging, einen neuen Konkurrenten zu haben, mit dem man das Geschäft teilen musste. Ein Buchhändler fragte ihn direkt: »Seid Ihr
Catalano
?«
»Ja, das bin ich«, gab er zu. »Und ich werde mich auf spanische Bücher spezialisieren.«
Dies schien den Mann etwas zu beruhigen, und er erklärte: »Ihr werdet ein gutes Geschäft machen. In Rom gibt es viele Landsleute von Euch.«
Joan verstand, dass der Mann »zu viele« meinte, als er »viele« sagte. So gut er Italienisch sprach und so sehr er sich bemühte, der Bruderschaft der Buchhändler beizutreten, war es doch offenkundig, dass er für sie immer einer der
Catalani
sein würde und dass es im Rom der Borgias eine heimliche Bedrohung bedeutete, wenn man als solcher angesehen wurde. Doch er dachte an Miquel Corella und sagte sich, dass die Bedrohung auch in der entgegengesetzten Richtung wirkte.
Als guter Zeichner arbeitete er nach dem Frühstück angestrengt am Haupttisch des Speisesaals im Gasthaus »Zum Stier«. Dieser wurde von der Morgensonne erleuchtet, während Joan die Pläne der Buchhandlung entwarf. Der Laden würde sich zusammen mit der Buchbinderei im Erdgeschoss befinden, und den Hof, der gedeckt werden sollte, hatte er der zukünftigen Druckerei vorbehalten. Der Keller war für das Lager da, der erste Stock für das Esszimmer, die Küche und die Wohnräume, und im letzten Stock, wo es das meiste Licht gab, wollte er ein
Scriptorium
wie jenes einrichten, das die Corrós in Barcelona hatten. Joan weihte Miquel und Vannozza in seinen Plan ein, und sie äußerten sich ebenso begeistert wie der zukünftige Buchhändler.
»Wenn Ihr die Buchhandlung fertig eingerichtet habt, geben wir eine Eröffnungsfeier, und ich lade ein paar Freunde ein, denen Bücher gefallen«, versprach Vannozza.
Joan verzichtete nicht auf sein Vorhaben, Annas Herz wiederzugewinnen. Er verlor nicht die Hoffnung, dass sie und das Baby, das zur Welt kommen würde, den ersten Stock des Hauses bewohnen würden. In seinen Briefen beschrieb er ihr Rom als eine strahlend schöne und prächtige Stadt, und er erklärte ihr, welche Fortschritte er
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