Am Horizont die Freiheit
halte, weil sie Witwe eines vornehmen Herrn sei und unerträglichen Dünkel zeige. Doch der Gedanke, auf Anna zu verzichten, stürzte Joan in Verzweiflung. Als seine Mutter sah, wie trübsinnig er war, schüttelte sie traurig den Kopf: »Hartnäckigkeit ist eine Tugend unserer Familie, aber deine Haltung gegenüber dieser Frau ist Starrsinn und Trotz. Geh auf die Straße und sieh dich um. Dort wimmelt es von schönen Frauen.«
»Wenn man seine Jugend auf diese Weise vergeudet, ist das eine Sünde, die nicht einmal der Papst vergeben kann«, erklärte Miquel Corella.
Der Valencianer schleppte ihn buchstäblich aus der Buchhandlung hinaus, und zusammen mit Niccolò besuchten sie Lokale, deren schöne Wirtinnen sich nicht nur beim Wein großzügig zeigten. Joan gab sich Mühe, am ausgelassenen Treiben teilzunehmen, doch sein trauriger Blick, der den Boden seines Glases anstarrte, sagte alles.
Erinnere Dich daran, Joan: Siegeswille, gemeinschaftliches Handeln und Überraschung,
empfahl ihm Abdalá in einem Brief
. Diese Taktik lässt sich für viel mehr gebrauchen, als einen Raufbold zu verprügeln. Seitdem ich Dich kenne, hast Du Anna geliebt. Nichts hat Dich von Deiner Leidenschaft abgebracht. Gib Dich nicht geschlagen. Das wird Dein Siegeswille sein. Plane Dein gemeinschaftliches Handeln. Du musst so viel wie möglich über ihre Gefühle erfahren. Nutze Deine Freunde, jeden, der etwas über sie erfahren kann. Sorge dafür, dass sie Dich nicht nur unterrichten, sondern auch Deine Botschafter sind. Und wenn Du sicher bist, dass Du weißt, was sie im tiefsten Herzen empfindet, dann schreib mir. Wir werden uns um eine Überraschung bemühen. Bete inzwischen zum Herrgott und tue Buße, um Deinen Glauben und Deinen Willen zu stärken.
Joan empfand tiefe Achtung für Abdalá, doch er sagte sich, dass dies vielleicht ein erstes Zeichen der Senilität war. Was konnte er wohl über Frauen wissen, wenn er kaum ein Wort mit den Dienstmädchen wechselte und keine Liebschaften hatte, seit er schon vor über zwanzig Jahren die Freiheit verloren hatte? Und wie sollte Joan erfahren, was Anna im tiefsten Herzen verbarg?
Obwohl er noch voller Zweifel war, bemühte er sich, die Ratschläge des Meisters in die Tat umzusetzen. Zusammen mit der Antwort schickte er einen weiteren Brief, in dem er Bartomeu bat, Pere Roig, dem Vater Annas und alten Waffenkameraden aus der Zeit des Bürgerkriegs, zu schreiben, damit dieser ihn über die Gefühle seiner Tochter unterrichtete. In einem anderen Schreiben bat er Antonello um das Gleiche. Er war der einzige Mensch, der nicht zu ihrer Familie gehörte und mit dem Anna während der Trauerzeit sprach.
Die Antwort des Buchhändlers aus Neapel traf in nur zwei Wochen ein.
Angelica ist sehr traurig, mein lieber Roland. Sie fühlt sich ganz und gar schuldig am Tod ihres Gatten. Sie sagt, wenn Riccardo Dich nicht in seinem Haus gesehen und es ihm nicht das Herz zerrissen hätte, so hätte er niemals bis zum Tod gekämpft. Sie denkt, dass Du ihren Mann getötet hast, weil Du glaubtest, ein Recht auf sie zu haben.
Sie ist zwar die Witwe eines kleinen Adligen, doch ihr Palast besteht nur aus Ruinen. Als Du eure Liebe auf der Karavelle verkündet und sie dann vor den Augen der Anjou-Anhänger gekauft hast, hat das ihren Ruf als ehrbare Frau zerstört. Die Familie Riccardo Luccas redet nicht mehr mit ihr, und das Erbe, das ihrem Gatten zustehen würde, wird niemals dem Kind zukommen, das sie erwartet. Da der Vater als Juwelier arbeitet, kann die Familie überleben, aber in bescheidenen Verhältnissen. Er ist nicht in der Lage, eine Mitgift für seine Tochter aufzubringen, und ihre Zukunft wird es sein, ihr Kind zu bekommen und es in Einsamkeit und Armut aufzuziehen, wofür sie nur die Hilfe ihrer Eltern hat. Immer wieder liest sie Deine Briefe, wobei sie sich euer Leben in Rom vorstellt und sich danach sehnt. Doch sie hat entschieden, dass sie es nicht verdient. Eure letzte Begegnung hat sie sehr mitgenommen, und sie hat ihre strenge Trauer um weitere drei Monate verlängert. Ich denke, dass sie Dich immer noch liebt, obwohl sie glaubt, dass diese Liebe schuldig und sündhaft, von Gott verdammt ist. Sie beschuldigt sich wegen ihrer Untreue und verbringt die Tage mit Beten. Dabei fleht sie um Vergebung, während sie spürt, wie ihr Kind in ihrem Innern wächst. Die schöne Frau, die Du gekannt hast, hat vom Weinen gerötete Augen, und die Grübchen, die das Lächeln in ihr Gesicht zeichnete, sind
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